Action im Lieferdienst-Modus

(Szenenfoto © Universum Film)

96 Hours Taken 3 bildet den Tief- und hoffentlich auch Schlusspunkt einer Actionthriller-Reihe, die einst auf erfrischende Art die französische Tradition amerikanophiler Genrefilme weiterführte.

von David

Aus welchem Land kommen die besten US-amerikanischen Genrefilme? Oftmals aus Frankreich! Als Taken im Jahr 2008 Liam Neesons zweite Karriere als Action-Shootingstar startete, blickte der Film auf eine lange französische Filmtradition der amerikanophilen Genre-Aneignung zurück. Jean-Pierre Melvilles trostlose Gangsterfilme, die postmodernen films noirs der nouvelle-vague-Regisseure François Truffaut, Jean-Luc Godard und Claude Chabrol, die Cop-Thriller der 1970er und 1980er Jahre mit Alain Delon und Jean-Paul Belmondo – bis hin zu Léon und der Transporter-Franchise, mit denen nun 96 Hours – Taken 3 in der Person Luc Bessons den Produzenten und Autoren teilt.
Dieser Vorgeschichte erfolgreicher Genre-Verfremdung wird der nunmehr dritte Film um den (Ex-)Geheimdienstler Bryan Mills nicht wirklich gerecht, sondern fügt vielmehr nahtlos die Abwärtsspirale der Reihe fort. Der erste Taken brillierte mit seiner präzisen Figurencharakterisierung Mills’ als Versager im Privatleben, der seine Frustrationen, Vorurteile und Gewaltimpulse mit der Arroganz US-amerikanischer Interventionswut brutal in der Fremde abreagierte – ein körperlicher und schmerzhafter Actionfilm, durch seinen unterkühlten Blick auch intellektuell raffiniert und voller Ambivalenzen. Taken 2 verzichtete auf all diese Elemente und pendelte sich mit einigen spannenden Momenten auf das Niveau ansehnlicher, aber rasch vergessener direct-to-video-Stangenware ein. Auf einer noch niedrigeren Stufe dieser Liga spielt Taken 3. Mills braucht nun nicht mehr als Fremder in sozialen Peripherien in der Ferne zu agieren, sondern darf in seiner Heimat Los Angeles seinen Gewaltimpulsen frönen – in einer klareren und wesentlich langweiligeren „stand your ground“-Situation. Das „fremde“ Böse kriegt er nun praktisch „frei Haus“ geliefert. Bildlich gesprochen: Im Vergleich zur mühseligen Reservierung im entlegenen exotischen Restaurant von Taken ist Taken 3 eine schnelle Bestellung beim lieblosen Pizza-Lieferdienst um die Ecke.
Mills bekommt einen Mord in die Schuhe geschoben und sucht bei der Flucht vor der Polizei nebenbei nach den Mördern der geliebten Person: Dieser einfachen Prämisse fehlt die extreme Bedrängnis, der Mills in seinen früheren „Abenteuern“ ausgesetzt war und ersetzt sie mit einem recht billigen Knüppelschlag aus der Kiste der Rührseligkeiten. Richtig Druck entsteht dabei nicht: Denn was soll eigentlich ein Mann mit einem „very particular set of skills“, der sich in wildfremden Ländern mit brutalen Mafiosi rumplagt, in seiner Heimatstadt schon groß vor der Polizei zu fürchten haben – zumal von einer zwar irrenden, aber im Grunde durch und durch „sauberen“ Ordnungsmacht, von Forest Whitaker mit dem üblichen gutmütigen Blick so solide wie vorhersehbar verkörpert.
Ein frustrierter Mann lässt in der Fremde seinen Gewaltimpulsen freien Lauf – Taken 3 hat den explosiven Treibstoff der Franchise aussickern lassen, lässt jegliche Ambivalenz im Drehbuch missen, erhebt Mills endgültig zum untadeligen und eindeutigen Helden (wer erinnert sich denn noch daran, dass er einst im ersten Teil eine völlig unschuldige Frau kaltschnäuzig anschoss?). Bei aller erzählerischen Aufgeräumtheit verliert sich der Film jedoch auf der visuellen Ebene, durchaus in Kontinuität zu ähnlichen Tendenzen in Taken 2, in pures Chaos: verwackelte Bilder, die aussehen, als wären sie durch einen Schredder gelaufen; Action, die nur noch durch gedankenlose Stakkato-Montage suggeriert, aber nicht mehr inszeniert wird – das ist nicht nur vollkommen unansehnlich, sondern auch eine Darstellung von Gewalt, die nicht mehr wirklich wehtun kann. Eine solche ist zwar ganz nach dem Geschmack der FSK und anderer selbsternannter Tugendwächter, doch die daraus resultierenden moralischen Implikationen darf sich jeder Zuschauer selbst überlegen.
96 Hours
Taken 3 ist jedenfalls mit seiner visuellen Verhäckselung bei genau der DIN-Norm von Action-„Inszenierung“ angekommen, der sich weltweit mittlerweile so viele Filme – von B-Produktionen bis hin zu großen Blockbustern – verpflichtet fühlen. Von einer spezifisch französischen, lustvollen und begeisterten Genre-Aneignung leider keine Spur mehr.

96 Hours – Taken 3 läuft ab 8. Januar im Kino.

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