Rezension: Arme Roma, böse Zigeuner

Gut gemeint und gut gemacht sind oft weit voneinander entfernt. Eine Buchbesprechung.

von Robert

Roma, Zigeuner, fahrendes Volk: Sie haben viele Namen, und ebenso vielseitig sind die Klischees, die über diese Volksgruppe kursieren. Sie seien faul, kriminell, würden nur saufen und vieles mehr. Norbert Mappes-Niediek, freier Korrespondent und einstiger Berater des UNO-Sonderbeauftragten für das ehemalige Jugoslawien, macht sich in seinem Buch Arme Roma, böse Zigeuner auf die Suche nach dem wahren Kern dieser und anderer Vorurteile. Auf 200 Seiten widmet er sich fast allen Aspekten, die einem beim Begriff „Zigeuner“ in den Sinn kommen: Geschichte, Sprache, aktuelle Situation, Kultur, Integrationspolitik der Einzelstaaten und der EU. Das Buch gliedert sich hierbei thematisch in zwei große Teile, von denen der erste sich mit der aktuellen politischen und sozialen Lage beschäftigt und der zweite auf den historischen Hintergrund Bezug nimmt. Diese Ordnung ist allerdings, wie auch die Kapiteleinteilung, völlig überflüssig, da der Autor es nicht unterlässt, konstant alle Themen durcheinanderzuwerfen. So mischen sich Ausführungen über aktuelle Integrationsstatistiken mit historischen und sprachwissenschaftlichen Einschüben. Solche Verweise sind nicht immer vermeidbar, auf Dauer aber schier verwirrend.
Des Weiteren stützt sich Mappes-Niedieks Kreuzzug zur Rettung des Roma-Images selten auf Fakten. Es gelingt ihm zwar, viele der Roma-feindlichen Statistiken als nicht repräsentativ zu entkräften, jedoch nennt er selbst keine Zahlen, um seine Thesen zu untermauern. Oft wird sich dann eines Bezugs auf Einzelfälle oder Gebräuche bedient. Als Argument gegen die angeblich hohe Kriminalität wird beispielsweise darauf verwiesen, dass Diebstahl bei bestimmten Roma-Gruppen verpönt sei.
Die Argumentation wirkt dabei oft widersprüchlich. Auf der einen Seite sei das Bild der Roma in der heutigen Gesellschaft verzerrt, von nationalistischen Vorurteilen unterfüttert. Es sei schon aufgrund der Heterogenität dieser Gruppe nicht möglich, von einem „Volk“ zu reden. Andererseits bedient sich der Autor des Begriffs Volk durchgängig und argumentiert selbst, als ob die Roma homogen seien. Diese und ähnliche magere Begründungen ziehen sich in Massen durch das gesamte Buch.
Indem es viele Themen anschneidet, doch nichts wirklich ausarbeitet, verfehlt Arme Roma, böse Zigeuner seinen Anspruch, die Wahrheit über „die Zigeuner“ aufzudecken. Der Autor stellt sich eine Mammutaufgabe, um diese dann völlig schlampig zu bearbeiten. Kaum hat ein Thema Interesse beim Leser geweckt, verschwindet es wieder von der Bildfläche, um an unpassender Stelle wieder aufgegriffen zu werden. So wird der akademische Streit über die eigentliche Herkunft der Roma auf zwei Seiten heruntergebrochen, ohne diesen aufzulösen, zu entscheiden oder zu bewerten.
Was bleibt sind 191 Seiten Geschwafel und ein neunseitiges Fazit, das an Flachheit und Inhaltsleere den vorigen Ausführungen in nichts nachsteht.

Norbert Mappes-Niediek:
Arme Roma, böse Zigeuner.
Was an den Vorurteilen über die Zuwanderer stimmt
Ch.Links Verlag 2012
208 Seiten
16,90 €

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