Rezension: Am Abgrund des Lebens

18 Leben, 18 Geschichten, ein Ende: Birgit Lahanns Am Todespunkt erzählt vom Freitod in der Welt der Kunst.

von Robert

Arsen, ein Revolver oder bloß ein Strick – die Möglichkeiten zum Selbstmord sind vielseitig; das Ergebnis oft das gleiche. Doch fernab der „technischen“ Möglichkeiten hat der Suizid unbestreitbar etwas Geheimnisvolles und Mysteriöses: Ein Mensch geht, doch es bleibt die Frage nach dem Warum. Birgit Lahann will sich dem Thema nähern und wandelt in  Am Todespunkt auf den Spuren von 18 berühmten Literaten und Malern, die sich das Leben nahmen.
Hoffnung sucht man in den zehn- bis fünfzehnseitigen Kapiteln vergeblich; egal ob Kurt Tucholsky oder Primo Levi, die Familie Mann oder Virginia Woolf, schon ab dem ersten Satz ist einem klar: Die Geschichte endet nicht gut. Unglückliche Liebschaften, ein verkorkstes Elternhaus – die Lebensgeschichten, die Lahann erzählt, sind gespickt von Unglück und Leid. Trotz der meist freudlosen Geschichten wählt die Autorin einen knackigen Stil, irgendwo zwischen Essay und Biographie, der den Leser geradezu auf Engelsschwingen durch die trostlosen Schicksale trägt. Die einzelnen Ereignisse werden gewahr, doch vernebeln sich im Lesefluss. Man nimmt Anteil am Leid, ohne davon mitgerissen zu werden.
Am Todespunkt ist kein wirkliches Sachbuch. Es gibt keine kulturellen oder psychologischen Exkurse. Lahann will nicht erklären, sondern Geschichten erzählen – und  darauf versteht sie sich: Jedes Kapitel reißt einen aufs Neue mit. Die Geschichten schmückt sie dabei mit geradezu liebevollen Randdetails, sei es Ernest Hemingways Altersimpotenz oder eine alternative Geschichte zum Verlust von Van Goghs Ohr. Das Buch ist Gelegenheitsliteratur, etwas Kurzes, um sich die nächsten 20 Minuten in der Bahn zu vertreiben. Aber sicher nichts für den, der sich tiefgreifend mit dem komplexen Thema Suizid beschäftigt will.

Birgit Lahann:
Am Todespunkt. 18 berühmte Dichter und Maler, die sich das Leben nahmen
Dietz Verlag 2014
248 Seiten
22,00 €


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