Kohle und Spiele

(Illustration: Anastasiia Slobodianiuk)
(Illustration: Anastasiia Slobodianiuk)

Sie sind jung, sie sind bekannt und sie sind reich. Let’s Player erobern YouTube, begeistern Millionen und wecken so das Interesse von Spieleschmieden und Publishern.

von Makito

Erik Range alias Gronkh rennt durch verpixelte Landschaften, gespickt mit Sandkörnern und endlosen Stränden, und zerschlägt Steinklötze. Das reicht aus, um mit über 3,5 Millionen Abonnenten zu den bekanntesten YouTubern Deutschlands zu gehören. Range ist Let’s Player und verdient seinen Lebensunterhalt damit, dass ihm täglich Zehntausende teils stundenlang beim Spielen zuschauen. Der Erfolg mutet auf den ersten Blick paradox an: Man sieht jemand anderem beim Spielen zu, anstatt es selbst zu tun. Doch der Let’s Player spielt nicht nur, er  kommuniziert auch mit dem Zuschauer, indem er das Geschehen auf dem Bildschirm kommentiert. Hinzu kommt die immer aufwendigere, bildgewaltigere und spektakulärere Gestaltung von Singleplayerspielen. „Man ist einfach so ein Ruhepol in dieser stürmischen Zeit, in der man immer funktionieren muss. Manche Leute lassen das dann einfach so im Hintergrund laufen, wie ein Hörbuch, oder Geschichtenerzähler“, so Range in einem Interview über seine Tätigkeit. Doch Range und seine Gleichgesinnten erzählen keine Geschichten, sie spielen und präsentieren Games – eine vielleicht sogar unfreiwillige Werbung für das Spiel.
Das ist auch der Gamingindustrie bewusst geworden. Seit Januar 2014 ist bekannt, dass Microsoft einer Plattform für YouTube-Kanäle mit Let’s Plays Geld dafür anbot, wenn sie in ihren Videos die neue Konsole Xbox One präsentieren. Berichten zufolge erhielten Machinima-Partner drei Dollar für 1.000 Videoabrufe, wenn sie mindestens 30 Sekunden Videomaterial zur Xbox übernahmen und das Gerät beim Namen nannten. Auch die Spieleschmiede Electronic Arts (EA) versucht, Let’s Player für sich kommerziell zu gewinnen. Allerdings bestimmt sie selbst, welche Bilder gezeigt werden dürfen: keine Spielfehler und keine Abstürze. Die Kampagne läuft offiziell nur auf dem US-Markt. Eine Untersuchung ergab, dass sich in den USA ein Fünftel der Let’s Player mit mehr als 5.000 Abonnenten für die Auswahl bestimmter Spiele bezahlen lassen. In Deutschland würde ein ähnliches Vorgehen eine Kennzeichnung als Werbung erfordern. Eine Nachfrage der Zeit bei EA, ob es ähnliche Kampagnen auch bei deutschen YouTubern gäbe, blieb unbeantwortet. Ob sich auch andere Firmen dieses Konzepts bedienen, lässt sich momentan nicht sagen. Unsere Kontaktanfragen an die zehn führenden Let’s Player Deutschlands blieben unbeantwortet.

Erik Range alias Gronkh bei der Arbeit, inklusive "Facecam"
Erik Range alias Gronkh bei der Arbeit, inklusive "Facecam"

Keine Journalisten, sondern Entertainer
Im Gegensatz zum propagierten Image von Freiheit und Unabhängigkeit ist Let’s Play bereits ein großes Business. Wer Kontakt zu den Stars der Szene will, muss sich bei bekannten Mediennetzwerken durch Telefonschleifen kämpfen. Stellt diese gekaufte und durchorganisierte „Authentizität“ eine Bedrohung für den traditionellen Gamingjournalismus dar? „Was passiert, ist, dass manche Zuschauer diese als eine Alternative zum Journalismus anpreisen, weil sie das Gefühl haben, dass sie dort eine authentische, ungefilterte und unbeeinflusste Meinung bekommen“, so Andre Peschke, Chefredakteur beim Magazin GameStar. Seit fast 20 Jahren erscheint das Heft und gehört zu den meist gelesenen Gamingmagazinen auf dem deutschen Markt. Wie jedes Printmedium kämpft es mit rückläufigen Auflagenzahlen. Man geht davon aus, dass die Leser auf Onlineangebote umsteigen, aber ob sie auf Let’s Plays umsteigen, lässt sich nur vermuten, so Peschke. Allerdings sieht er die Let’s Player nicht als bedrohliche Konkurrenz an: „Spielejournalismus bietet Hintergrundberichte, Tests und Marktbeobachtung. Das sind Bereiche, die von Let’s Plays gar nicht bedient werden.“ Trotzdem sieht auch Peschke die Gefahr der Einflussnahme durch die Industrie: „Während manche Nutzer Let’s Plays für unabhängiger halten, gelten sie bei Herstellern ironischerweise als enthusiastisch und unkritisch. Sie bezahlen größere Kanäle daher mittlerweile dafür, bestimmte Titel zu spielen.“ Frei von Anspannung ist das Verhältnis dennoch nicht. Peschke berichtet von neidischen Journalisten. Von Menschen, die jahrelang hart in ihre Ausbildung investiert haben und plötzlich von Laien in den Schatten gestellt werden. „Ich glaube, diese Kollegen vergleichen Äpfel mit Birnen. Die Let’s Player sind keine Journalisten, sondern Entertainer“, so Peschke.

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