Rhytmus und Theater

François Chaignaud in "Dumy Moyi" (Foto: © A. Scherer)
François Chaignaud in "Dumy Moyi" (Foto: © A. Scherer)

Chroreographie trifft auf Intimität: Das Tanzfestival Theater in Bewegung brachte vom 12. bis 20.11. wieder vielfältige und atemlose Tanzvorstellungen auf die Jenaer Bühne.

Zum Auftakt präsentierten am letzten Donnerstag (12.11.) zwei junge Künstler, das Akrobaten- und Choreographen-Duo Tim Behren und Florian Patschovsky, bekannt als Overhead Project, im Theaterhaus ihr neuestes Werk: Carnival of the Body. Im Stück geht es um die Intimität der Körper und einen synchronisierten Kampftanz. Während des Intros fühlt man sich wie in die Antike zurückversetzt. Alles ist dunkel; man sieht nur zwei Figuren mit mysteriösen Kostümen, in der Mitte der Bühne auf dem Boden tanzend. Sie kämpfen mit sich selbst, als würden sie sich befreien wollen. Wie in einem bizarren Ritual nähern sich die zwei Körper, bis einer plötzlich auf die Schultern des Anderen steigt. Es sieht gefährlich aus – aber trotzdem tanzen sie weiter. Ein dunkelrotes Licht signalisiert uns später eine neue Szene, die uns in einen Kampfring mitnimmt. Hier wird klar: Nicht alles bei Carnival of the Body ist harmonisch; das Publikum wird auch durch Gewalt und Testosteron überrascht. Vor allem die Fans des Wrestling, als spezifischem Mix von Sport und Unterhaltung, fühlen sich angesprochen. Doch in jedem Fall ein besonders inniges Tanztheaterstück mit viel Athletik und Show.

Ausschnitt aus "The Family"
Ausschnitt aus "The Family"

Noch ein ganzes bisschen unkonventioneller ging es am Samstag (14.11.) zu, als das Tanzfestival für einen Abend im Kassablanca gastierte: Der französische Tanzperformer François Chaignaud hatte seine Solo-Choreographie Думи мої (Dumy Moyi) mitgebracht, für die er seit 2013 immer nach herausfordernden Locations sucht – und der ehemalige Lokschuppen am Westbahnhof schien ihm dafür wohl besonders passend. Er selbst sieht seinen Auftritt als „Gegengift gegen all die Rituale des westlichen Theaters, gegen seine brutale Direktheit, seine Macht, seine strenge Zeitlichkeit“. Die intime, stellenweise fast unangenehme Nähe zwischen ihm und dem Publikum machen Думи мої zu einem eindringlichen Erlebnis, sei es bewundernd oder eher verschämt.
Wem das dann doch ein bisschen zu experimentell ist, dem bot sich am Mittwoch (18.11.) das Tanztheaterstück The Family im Theaterhaus an. Aber damit kein falscher Eindruck entsteht: Auch hier ist keine heile (Familien-)Welt auf der Bühne! Die knapp einstündige Inszenierung des kubanischen Tänzers und Choreographen Julio Iglesias ist mindestens so sehr von Adrenalin und Testosteron geprägt wie das oben erwähnte Carnival of the Body. Doch nicht nur sind hier mehr Akteure (ausschließlich junge Männer!) auf der Bühne unterwegs; auch erinnert der Auftritt eher an eine Mischung aus Actionfilm, Pogo und Breakdance. Vielleicht kann man das, in Anlehnung an ein populäres Filmgenre, als Danceploitation bezeichnen…?

Renegade sind mit The Family noch einmal am 20.11. im Theaterhaus Jena zu sehen. Beginn ist 20.00 Uhr.

 


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