Noch mehr cellu l’art: Der Endspurt

Nach den Wettbewerbsblöcken III und IV des Kurzfilmfestivals wird am Samstag Abend im Volksbad noch einmal zu Block V sehen sein. Auch den haben wir uns auch für euch angeschaut.

von Jenny, Philipp & Frank

Wettbewerbsblock III: Toleranz und Tollwut

Wieder zwei Worte, die auf den ersten Blick nicht so ganz zueinander passen wollen. Toleranz wünschen wir uns alle, Tollwut eher weniger. Aber wie entsteht das eine, wie das andere, und viel wichtiger: Wie stellt sich eine Verbindung zwischen beiden her?

Antworten suchen (und finden) lassen sich im dritten Wettbewerbsblock des cellu l´art. Toleranz und Zivilcourage, also Mut seine Stimme zu erheben und sich als Bürger für einen anderen oder eine Situation einzusetzen, stehen in engem Zusammenhang. Die Fragen, was richtig und was falsch ist, was zählt von dem, was man geleistet hat und was nicht und auch ob und in welcher Richtung man sich positioniert wirft der erste der insgesamt neun Filme dieses Blockes auf. Toleranz gegenüber dem Anderen thematisiert der zweite Film und macht auf augenzwinkernde Weise klar, dass Anderssein dann nicht mehr schlimm ist, wenn es massenkompatibel wird. Ob das der richtige Weg ist? Wer will schon im Einheitsbrei aus schlechten Imitationen leben…

Auf seine eigene Art ist nämlich jeder Mensch hübsch, das wissen selbst zehnjährige Mädchen. Dennoch kennt jeder das Gefühl der Einsamkeit. Ob durch verlorene Liebe, bewusste Nicht-Liebe oder einfach aus Freude am Alleinsein – Vor- und Nachteile des Alleinseins gepaart mit der Frage nach großer Liebe, nämlich genau dann, wenn man manchmal von sich selbst die Nase voll hat?! Gefühlsachterbahnen erleben wir im Film Stillstand. Ein Amoklauf, eine Notaufnahme, Entscheidungen. Gefolgt wird dieser Film von einer herrlichen Anleitung zum Umgang mit rüpelhaften Kleinkindern, einer Geschichte aus Papier über Freundschaft und der Gewissheit, dass die Kraft, die Elefanten fliegen lässt, nicht nur Newton, sondern auch jegliches Schönheitsklischee auf den Kopf stellt.

Der Wettbewerbsblock III wird ein zweites Mal am Freitag (27.04.) ab 19.45 Uhr im Volksbad zu sehen sein.

 

Wettbewerbsblock IV: Tod und Turbulenzen

Einige Tage, oder besser: drei Wettbewerbsblöcke ist das diesjährige cellu l’art schon alt, als ich mich zum Wettbewerbsblock IV beim 13. Jenaer Kurzfilmfestival aufmache. Und entsprechend der Ordnungsnummer scheint zu Beginn tatsächlich vieles verhext zu sein: chaotische Organisation, unklare Zuständigkeiten und nicht erledigte Arbeit sind das, was man bei einem Blick hinter die Kulissen erkennen kann. Das ist aber wohl nicht der Festivalleitung, sondern eher individuellen Fehlern und Nachlässigkeiten der jeweils Verantwortlichen anzulasten. Aber gut, sei‘s drum, als Kritiker muss man auch nicht immer meckern. Also rein in‘s Vergnügen.

Beim ersten Blick in den „Kinosaal“ im Volksbad fällt auf, dass das diesjährige Festival einen glücklicheren Ort gefunden hat, als dies noch 2011 mit dem Turm zu Jena (penis jenensis) der Fall war. Die Atmosphäre stimmt, die Größe auch. Nur das Schütteln des Barkeepers unterbricht manchmal die wohlbedachte Stille vor Beginn der Vorstellung. Dann geht‘s endlich los: Mit „Tod und Turbulenzen“ ist dieser Wettbewerbsblock überschrieben. Und tatsächlich stirbt in fast jedem Film jemand, mal eher lustig, mal eher beklemmend. Den Einstieg macht der spanische Kurzfilm Bucle, der mit einer simplen Story das Phänomen der self-fulfilling prophecy auf den Arm nimmt. Nach einem unterhaltsamen, gut gemachten Animationsfilm zur Senilität alter Leute, der sich um die verkorkste Beziehung zwischen Mutti und ihrem Herd dreht, wird es erstmal beklemmend: 23 Minuten lang darf, nein: muss der Zuschauer in Zwei Grad einem Gerichtsmediziner über die Schulter gucken. Zwar ist der Film wirklich gut gemacht und sehr informativ. Aber er schont den Zuschauer eben auch nicht. Man sieht ausführlich und in Großaufnahme, wie das Hirn eines jungen Mannes zerschnitten wird. Gleiches gilt für Eingeweide und das langsame Zunähen eines Körpers. Und die Knochensäge. Nein, dieser Film ist nichts für schwache Nerven oder Menschen, die nicht schnell genug die Hand vor die Augen halten können.

Danach geht es lustiger weiter, mal plump, mal süß. Der Animationsfilm On the water ist sehr romantisch, sehr anrührend, ohne kitschig zu werden. Er zeigt allegorisch den Weg des Lebens als ein Rudern auf dem großen Meer. Ein toller Film! Und abschließend kommt die tolle Geschichte von Marijn, die von ihrer Mutter lernt, zu zaubern. Dieser Film lebt allerdings weniger von seiner Story, als vielmehr von seinen rundherum starken Schauspielern.

Was lässt sich insgesamt also sagen? Lohnt der Besuch? Ja, auf jeden Fall. Ist das Festival gut geplant? Zweifelsohne. Immerhin hat man zum ersten Mal die Möglichkeit, einen Block nicht nur einmal zu sehen. Und man hat die Möglichkeit, einen Filmblock noch anzuschauen, über den man schon eine Kritik gelesen hat. Hierzu sind alle ausdrücklich aufgefordert!

Wettbewerbsblock IV läuft zum zweiten mal am Freitag (27.04.) ab 22.00 Uhr im Volksbad.

 

Wettbewerbsblock V: Wasser und Wandel

Wo könnte ein Filmblock mit solchem Motto besser passen als im Volksbad, dass sich – schon ganz augenscheinlich aufgrund seiner Nutzung als cellu l’art-Spielstätte – in seiner Gestalt derart gewandelt hat, dass nur noch der Name an seine frühere Bestimmung erinnert. Hinzu noch die sanfte türkis-blaue Beleuchtung, dass die Besucher auf die Thematik einzustimmen vermag. Weniger deutlich sind da die Umstände, die bei dem ein oder anderen Film dazu geführt haben, ihn unter dieses Motto zu stellen; teils wirkt der Zusammenhang sehr konstruiert. Aber wenigstens in vier der sieben Filme geht es relativ eindeutig um Wasser.

Eher um den Wandel – den der eigenen Ansichten nämlich – geht es dagegen beim ersten Film des Blocks, dem britischen Dokumentarfilm Sweep, der die Frage aufwirft: Kann der Job des Straßenfegers eine Erfüllung sein? Einer der Interviewten bringt es auf den Punkt: „It get’s done – and this is the satisfaction.“ Man weiß, sieht vielleicht sogar am Ende des Tages, was man gemacht hat. Der Film präsentiert neun Individuen in London, teils Einheimische, teils Immigranten aus Somalia oder Jamaika, mit ganz eigenen Biographien, Wünschen, Zukunftsentwürfen – und das, ohne im geringsten kitschig zu wirken.

Weitere Streifen dieses letzten Wettbewerbsblocks befassen sich mit dem Balzverhalten von Krabbenfischern (I have a boat) oder zeigen, wie eine elfjährige Pippi-Langstrumpf-Göre ihren Klassenkameraden kidnappet, um ihr „erstes Mal“ zu erleben (Gekidnapped). Das bedrückende Highlight von „Wasser und Wandel“ bildet Crossing Salween, ein Film über die Flucht eines jungen Mädchens vor dem marodierenden burmesischen Militär zum Grenzfluss Salween, an dessen gegenüberliegendem Ufer Thailand – und damit ihre Freiheit – auf sie wartet.

Der Wettbewerbsblock V wird noch einmal am Samstag (28.04.) ab 17.30 Uhr im Volksbad gezeigt. Im Anschluss findet dort ab 20.00 Uhr die feierliche Preisverleihung statt. Anschließend darf getanzt werden bis in den Sonntagmorgen!

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