Das amerikanische Frühstück – Der Genuss „Überfluss“

von Katja

Bing! Das Geräusch der Mikrowelle weckt mich an einem Sonntag Morgen in dem Haus meiner amerikanischen Gastfamilie. Ein hektischer Blick auf die Uhr: Nein, ich habe nicht verschlafen, die Mikrowelle dient tatsächlich zur Zubereitung des Frühstücks. „Bacon“ bruzelt eingebettet in einem Berg Papierservietten kreiselnd in dem Lieblingsküchengerät meiner Gastfamilie. Das Ergebnis: Nach fünf Minuten ist der einztig labrige Schinkenstreifen ein Knabbersnack. Damit lässt es sich gut die Zeit vertreiben, während man nach dem Rüherei auf die Pancakes wartet.


„Good Morning“ begrüßt mich mein Gastvater und schwingt dabei ein Rührgerät. Er ist dabei den Teig für die Pancakes anzurichten, während meine Gastkinder nebenher unzählige Chocalte Chips in die Teigschüssel werfen. Die Heizplatte ist bereits warm und hat eine Größe, die ich noch nicht einmal in einer Großküche vorgefunden habe. Es fühlt sich an wie in einer Weihnachtsbäckerei, also die, die man sich halt so vorstellt, wenn davon gesungen wird. Doch es ist ein ganz normaler Sonntag. Es ist lediglich „Breakfasttime“.
Vor meinem USA-Aufenthalt bestand mein Sonntagsfrühstücksritual aus Brötchen, Marmelade und wenns gut kam noch einem gekochten Ei. Doch was mir jetzt vor die Nase gesetzt wurde war besser als Schlaraffenland es je beschreiben könnte. Alle Küchenutensilien liefen auf Hochtouren. Ich bediene ja nur ungern allzu oft gehörte  Klischees, aber was das Frühstück betrifft, kann ich die Amerikaner nicht als bescheiden bezeichnen. Rüherei mit mehr Käse als Ei, Spiegelei mit Schinken plus Speck – so beginnt das Schlemmen. Wobei Spiegelei nicht gleich Spiegelei ist, es wird nachgefragt, ob „sunny side up“ (nicht umgedreht), „over easy“ (einmal kurz umgedreht) oder „over mediuml“ (längere Zeit auf der Dottersetie gebraten), fehlendes Nachfragen ruft oft Unbehagen hervor.

Weiter geht es morgentlich mit „Chocolate Chip Pancakes“, begossen, nein, gar ertränkt in Ahornsyrup oder Schokosoße inklusive einem extra Sahnehäubchen. Mit Butter bestrichene Toasts und kleine Würstchen zieren den noch kaum vorhandenen Tellerrand des Zweittellers. Ist der Brechreiz noch nicht erreicht oder bereits überwunden kommt das i-Tüpfelchen des amerikanischen Morgenschmauses: „Cinnamon Rolls“. Der deutschen Übersetzung als „Zimtrolle“ entfällt die wirkliche kalorienschwere Bedeutung der amerkanischen Version dieses Gebäcks. Zimt spielt nur am Rande eine Rolle. Wichtig ist, dass das Teilchen mit Zuckerglasur gefüllt, zusammengehalten und noch einmal überdeckt ist. Kommt dann noch die Tante unverhofft vorbei,
hat die natürlich noch ein paar schokoglasierte Donuts und Eclairs mit bunten Zuckerstreuseln auf der
natürlich nicht zuckerarmen Glasur.

Ich kann mich nicht erinnern, je wieder ein solches Essensüberangebot vereint in einer Mahlzeit vorgefunden
zu haben. Diese Ansammlung an Fett und Kalorien am Morgen zu verdrücken scheint für einen „Continental Frühstück“ gewöhnten Europäer unmöglich, das heißt aber nicht, dass er dazu nicht fähig wäre. Ich müsste
lügen, wenn ich sagen würde, das Sonntagsfrühstück mit meiner Gastfamilie wäre mir unangenehm gewesen und ich hätte nur anstandshalber daran teilgenommen. Zucker hat ja bekanntlich eine abhängig machende Wirkung und so giere ich förmlich nach Donuts und auch in den Kaffee muss neuerdings unbedingt Vanillesirup.

Doch wenn die Nahrungsaufnahme derart ihrer ursprünglichen Bedeutung entfremdet ist , welchen Einfluss hat das auf den restlichen Sonntag oder auch andere Wochentage? Denn an den restlichen Tagen, wenn es schnell gehen muss, wird es auch nicht gesünder. Jeder der schon einmal in den Staaten war, bekommt bei dem Begriff „Poptarts“ leuchtende Augen. Dahinter verbirgt sich nichts weiter als Keks mit einer Zuckerfüllung, plus Zucker- wahlweise auch Schokoladenglasur. Man steckt sie kurz in den Toaster, sie werden warm und „Pop“ – Frühstück ist fertig. Während meines Aufenthalts traf ich kaum einen Amerikaner, der nicht im GYM angemeldet war oder zumindest Mitglied in einem YMCA.

Betrieben wird das meist im gleichen Wahn wie die überschüssige Nahrungsaufnahme. Das Paradoxon steigt ins Witzige, wenn auf dem Heimweg vom Sport bei Wendys (eine Fastfoodkette, die in Amerika häufiger ist als McDonalds) am Drive-In-Schalter gehalten wird, um sich mit einem „Smothie“ zu „stärken“. Obwohl ich so sehr an dieser Art Leben gefallen fand, dass ich elf Kilo in acht Monaten zunahm, kann ich rüblickend sagen, ich war keinesfalls ein glücklicher Mensch. Dass alle Amerikaner oberflächlich sind, ist ein Klischee, dass der amerikanische Lifestyle oberflächlich ist, nicht. Wenn man angehupt wird, nur weil man der erste Mensch seit Jahren ist, der tatsächlich vorhat die öffentlichen Vekehrsmittel eines „Suburbs“ zu nutzen, um in die Stadt zu fahren. Oder wenn die Gastkinder einen nur fragend anschauen, wenn man äußert, man
wolle gern nur einmal Spazieren gehen.

Zurück in Deutschland war ich erst einmal auf Entzug. Entzug von den Extremen. Doch was ich wiedergewann ist mir bis heute heilig: Es ist die Mäßigkeit.


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