Buchrezension: „Die konsolidierte Fassung des Vertrages von Lissabon“

Herausgeber: Bundeszentrale für pol. Bildung, 2008, 416 S.

von Alex

Schluss mit der Bauernweisheit, man solle ein Buch nicht nach seinem Einband beurteilen. Das ist eine EU-Direktive! Warum sollte man den Vertrag von Lissabon lesen? Kritiker behaupten, dass kaum jemand ihn je gelesen hat, am allerwenigsten diejenigen, die vor über einem Jahr über seine Ratifikation abgestimmt haben. Damals war der Vertragstext allerdings noch nicht konsolidiert (aus einem Sammelsurium an Verweisen ein lesbarer Text gemacht) und die europäische Kommission untersagte anfänglich auch die Verbreitung einer lesbaren Version. Trotzdem kann seit Mitte des Jahres 2008 jeder das hier vorgestellte Exemplar (Band 709) der Bundeszentrale für politische Bildung in den Zweigstellen für zwei Euro erwerben. Und ich finde, der Einband spricht für sich.

Er zeigt die Staats- und Regierungschefs nach der feierlichen Unterzeichnung am 13. Dezember 2007 zum Gruppenfoto aufgestellt, sich angeregt miteinander unterhaltend und die Kamera (das europäische Volk?) kaum beachtend. Wie viele Kritiker, habe ich ihn gelesen und konnte mich an diesem Werk genauso begeistern wie glühende EU-Befürworter. Die Lektüre gestaltet sich in weiten Teilen als eine Reise ins eigene politische Verständnis. Hervorragend sind dabei die Seiten 56 (‚Verpflichtung zur Aufrüstung‘), S. 71 (‚Grundsatz der Offenheit‘), S. 79f. (‚Planwirtschaft im Agrarsektor‘), S. 125f. (‚Sozialpolitik durch Marktharmonisierung‘) oder S. 70 (das ‚Wohlergehen von Tieren‘).

Laut der Einleitung ist die gescheiterte EU-Verfassung von 2004 im Vertrag von Lissabon „substantiell erhalten, aber in eine neue Form gegossen.“ Als Studierende an einer europäischen Hochschule habe ich gelernt, dass eine Verfassung keine „schwammigen“, schön klingenden Formulierungen enthalten sollte, da diese schwer einklagbar sind (z. B. S. 142f. zu Erhaltung und Schutz der Umwelt). Schließlich ist eine Verfassung ein Rechtstext und keine politische Leitlinie, und so wird der Wert einer Verfassung als verlässliches rechtliches Dokument durch solche Inhalte stark unterminiert. Da dieser Text sich also selbst in seiner Rolle nicht ernst nimmt, hielt ich es für angemessen, ihn in der Sparte der Buchrezension vorzustellen, die sich sonst meist mit ähnlich gearteten, belletristischen Texten beschäftigt.


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