„Erfolgreich verunsichern“

Das Organisationsteam der Veranstaltungsreihe (Foto: Uni Jena/ Kasper)
Das Organisationsteam der Veranstaltungsreihe (Foto: Uni Jena/ Kasper)

Die Ausstellung BrandSchutz//Mentalitäten der Intoleranz will gesellschaftliche Diskriminierung und Ausgrenzung künstlerisch thematisieren und die Menschen im Alltag erreichen. Es soll ein Diskurs über Intoleranz in und über Jena hinaus angestoßen werden.

von Martin

Intoleranz ist ein vielgestaltiger und leider auch sehr erfahrbarer Begriff. Geht man aber über das Bild von rechtsradikalen Jugendlichen und urdeutschen Rentnern hinaus, sind Mentalitäten der Intoleranz nur noch schwer erkennbar. Gerade Künstler sind in der Lage, uns diese Formen von latenter Abneigung, Feindlichkeit und Ausgrenzung vor Augen zu halten. Provokantes Beispiel ist hierbei die Kunstaktion „Bitte liebt Österreich“ von Christoph Schlingensief aus dem Jahre 2000. Wiener Bürger erhielten die Möglichkeit „vermeidliche“ Asylbewerber unter dem Label „Ausländer raus“ per Telefonabstimmung auszuweisen. Die große Resonanz auf der Aktion zeigt, dass Intoleranz und Zynismus bei gegebenem Anlass sehr deutlich zu Tage treten können.

Kunst gegen Intoleranz
Ein Kunstprojekt in Jena will sich nun dieses Themas annehmen. Veranstaltet vom Kunsthistorischen Seminar der Universität Jena und dem Jenaer Kunstverein e.V. will die Ausstellung BrandSchutz// Mentalitäten der Intoleranz die Öffentlichkeit sensibilisieren, Denkanstöße geben und künstlerische Zugänge eröffnen.
Autoritarismus, Chauvinismus, Rassismus und Antisemitismus, Hass gegen Schwächere, sexuelle Diskriminierung sowie die Verharmlosung des Nationalsozialismus bilden ein „brandgefährliches Potential in der Mitte der Gesellschaft“, so Verena Krieger, Professorin für Kunstgeschichte und Initiatorin des Projektes. Es sollen künstlerische Perspektiven gezeigt werden, die auf der Alltagsebene ansetzen und so vor allem zur Selbstreflexion über die eigenen Vorurteile und Stereotypen anregen. Die Ausstellung richtet sich vor allem an die Mitte der Gesellschaft, da auch hier Intoleranz weit verbreitet ist – mit steigender Tendenz! Kunst soll das Mittel sein, um dieses Potential einzudämmen.
„Kunst hat die Freiheit, andere Zugänge, andere Möglichkeiten zu eröffnen.“ Zwar könne sie nicht unmittelbaren Einfluss ausüben, aber dort wo sich Menschen auf die Kunst einließen, könne sie auch etwas bewegen, so Krieger. Das besondere an der Ausstellung ist vor allem ihre direkte Ansiedlung im Stadtbild. Über mehrere Monate hinweg werden die Exponate an verschiedenen Orten in der Stadt ausgestellt, um so im Alltag zu irritieren, zu provozieren und zum Fragen und Nachdenken anzuregen. „Die Idee bei der BrandSchutz-Ausstellung ist, an die Menschen heran zu treten, sie in irgendeiner Weise zu berühren und etwas auslösen zu wollen“, erklärt die Professorin. Dabei geht es nicht um den Transport von politischen Botschaften, sondern darum, Positionen von Künstlern zu vermitteln und so eine Diskussion in und über Jena hinaus anzuregen. „Es wird Werke geben, die provozieren und andere, die einfach gefallen, aber in jedem Fall lässt es nicht kalt. Das ist das entscheidende dabei,“ so Krieger über Konzeption der Ausstellung.

Bewegen und verunsichern
Gemeinsam mit Studenten wurden bisher etwa 30 Werke ausgewählt, die auf unterschiedliche Weise präsentieren, was Kunst für ein gesellschaftliches Thema leisten kann: „Künstler haben eine Sensibilität und diese können sie auf die verschiedensten Dinge richten und damit bereichern sie uns, indem sie Dinge intensiver wahrnehmen und uns diese Wahrnehmung spiegeln,“ so die Projektleiterin. Auch die Ausstellung wird dabei zeigen, welch verschiedener Formen und Sprachen sich Künstler dabei bedienen. Geplant sind unter anderem eine temporäre Gestaltung der Fassade des Stadtspeichers, ein themenbezogener Skulpturengarten im Frommannschen Anwesen sowie Installationen in der Stadt und in verschiedenen Ausstellungsräumen. „Die Künstler, die wir jetzt eingeladen haben, wollen meistens auch selber gesellschaftlich etwas bewegen“, weiß die Professorin zu berichten. In der – auch künstlerischen – Auseinandersetzung soll Bewegung in verhärtete Meinungen und leider viel zu selbstsichere Denkmuster  gebracht werden. „Ich denke, da sind die Chancen nicht schlecht, gerade weil man nah herankommt an die Menschen“, erklärt Krieger die Positionierung im Stadtbild.
Ergänzt wird die Ausstellung durch ein Begleitprogramm mit Diskussionsrunden, einer Filmreihe, einem umfangreichen kunstpädagogischen Angebot und einem abschließenden Symposium im Januar 2014. Eine wissenschaftliche Betrachtung der Werke spielt zwar auch eine Rolle, aber vielmehr sollen die erlebten Sinneseindrücke und Erfahrungen gemeinsam in Gesprächen ausgetauscht und vertieft werden. Damit Kunst ihre Wirkung entfalten kann, ist es wichtig, den sinnlichen Eindruck nicht der politischen Botschaft unterzuordnen. „Der Weg geht immer in einer Pendelbewegung zwischen dem sinnlichen Erleben und der Reflexion. Und das ist die Stärke der Kunst, dass sie genau diese Pendelbewegung in Gang setzen kann“, erläutert die Initiatorin die Verbindung zwischen Programm und Ausstellung.
Es bleibt abzuwarten, wie die Ausstellung wahrgenommen und angenommen wird, auch über das akademische Milieu hinaus. Es wäre wünschenswert, wenn es gelingt, „festgefügte Überzeugungen etwas zu irritieren, das wäre schon was: erfolgreich verunsichern“, wie Frau Krieger sagt. Aber in jedem Fall wird die Ausstellung niemanden kalt lassen.

Weiterführende Berichterstattung findet ihr demnächst hier auf unique-online.de

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