Eine Reise in die Schattenwelt illegaler Migranten

In seinem Buch Eingereist und Abgetaucht zeichnet der Journalist Daniel Gäsche ein sehr lebensnahes Abbild einer Welt hinter unserer Welt – getrennt durch die Angst, abgeschoben zu werden.

von Jan

Maria aus Manaus lebt in Berlin und putzt für die unterschiedlichsten Menschen, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Sie hat Angst, findet sich in Alpträumen wieder, die davon handeln, erwischt zu werden. In dem Buch Eingereist und Abgetaucht. Illegal in Deutschland wird unter anderem ihre Geschichte erzählt. In fünf Teilen ist diese eingestreut, zwischen vielen anderen Beiträgen. Der Leser begleitet sie durch vier Jahre im Untergrund.
Es sind vor allem Meldungen über schreckliche Flüchtlingskatastrophen, die das Thema Migration zunehmend ins Licht der Aufmerksamkeit rücken. Lampedusa erscheint als Außenposten einer ‚Festung Europa‘ und macht die Schatten europäischer Politik deutlich. Die Insel ist auch der Ausgangspunkt des Buches. Der Journalist und Moderator Daniel Gäsche beschreibt in der Einführung, wie italienische Fischer, die ertrinkende Flüchtlinge retten wollten, wegen Beihilfe zur illegalen Einreise angeklagt wurden. Damit leitet er zu einer grundlegenden Infragestellung der gegenwärtigen Politik über. Diese hat eine Art Schattenwelt hervorgebracht, in der sich das Leben Hunderttausender abspielt. Nach einer kurzen Erläuterung des deutschen Asylrechts nimmt das Buch den Leser mit auf eine Reise in die Parallelwelt der Illegalität. Doch ist Illegalität der richtige Begriff? Es geht um Menschen, die keinen Aufenthaltsstatus besitzen. Ihr Vergehen ist, nach Ablauf eines Visums hiergeblieben oder von vornherein unerlaubt eingereist zu sein. Die fehlende Aufenthaltserlaubnis enthält diesen Menschen auch alle Rechte und Sicherheiten vor. Öffentliche Stellen unterliegen nach wie vor einer Meldepflicht, das heißt, sie müssen Informationen über illegale Migranten der Ausländerbehörde mitteilen. Den Rest erledigt die Angst: Wer befürchten muss, jederzeit aufgegriffen und abgeschoben zu werden, lebt in einer eigenen Welt und verlässt diese nur im äußersten Notfall.
Gäsche besucht kirchennahe Schutzräume, spricht zum Beispiel mit einem Jesuitenpater in Kreuzberg, der dort eine offene WG für Hilfesuchende unterhält. Weiter führt der Weg in eine spendenfinanzierte medizinische Flüchtlingshilfe, wo Menschen anonym ärztliche Behandlung finden. Es wird ein funktionierendes Netzwerk verschiedener Stellen ersichtlich, das ein Leben im Verborgenen ermöglicht. Auch die andere Seite wird besucht: In Köpenick und Eisenhüttenstadt spricht der Autor mit Wärtern und Häftlingen des Abschiebegefängnisses. In das Buch eingestreut sind politische Statements in Form von Interviews mit Vertretern der großen politischen Parteien.
Der Standpunkt des Autors schwingt in seinen Beiträgen auch immer mit und wird mit der Forderung nach Legalisierungsprogrammen konkretisiert. Legitim ist die anfangs beschriebene Absicht, „parteiisch [zu sein], wo es um Menschenrechte und -würde geht“. Die Kritik an Gesetzeslage und Institutionen mutet derweil etwas plakativ an. Die Ausländerbehörde wird dann etwa zur „‚Spinne im Netz‘ […] wenn illegal sich im Land aufhaltende Personen ‚denunziert‘“ werden. Gäsche verausgabt sich in seinen Beiträgen gerne darin, in immer wechselnden pathetischen Worten die missliche Lage illegaler Migranten zu umschreiben. Dabei nimmt er häufig den Leser in die Pflicht: „Sie sind da, gehören aber nicht dazu. Sie putzen für uns, wir fragen sie aber nicht, wer sie wirklich sind und wie sie leben.“ Doch fundierte Informationen zur rechtlichen und institutionellen Situation rund um das Thema illegale Migration sowie vor allem der Einblick in zahlreiche Menschenschicksale machen das Buch lesenswert.
Maria hat es am Ende geschafft. Vier Jahre sind vergangen, mit ausbeuterischen Jobs, Denunziation, drohendem Auffliegen und privaten Krisen – aber auch mit Hilfsbereitschaft und Liebe. Nun heiratet sie einen Deutschen und erhält damit auch eine Aufenthaltserlaubnis. „Für Maria einer der schönsten Tage in ihrem Leben, weil nun das Gespenst der drohenden Abschiebung und der Illegalität verschwindet.“

Daniel Gäsche:
Eingereist und Abgetaucht. Illegal in Deutschland
Militzke Verlag 2014
224 Seiten
14,90 €

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