Kolumne: Elen síla lúmenn’ omentielvo

J.R.R. Tolkien (links) und Esperanto-Vordenker L. L. Zamenhof Anfang des 20. Jahrhunderts.
J.R.R. Tolkien (links) und Esperanto-Vordenker L. L. Zamenhof Anfang des 20. Jahrhunderts.

…und andere philologische ‚Spielereien’: Eine kleine Einführung in die Welt der Kunstsprachen gibt Thomas Honegger, Professor für Anglistische Mediävistik an der FSU Jena.

von Thomas Honegger

Tolkien soll einmal behauptet haben, dass sein schriftstellerisches Werk ein ‚Nebenprodukt’ seiner leidenschaftlichen Beschäftigung mit erfundenen Sprachen sei und er Mittelerde schuf, um einen Ort zu haben, wo man sich mit einem Satz wie Elen síla lúmenn’ omentielvo (Ein Stern scheint auf die Stunde unserer Begegnung) begrüßt (wie es Frodo mit dem Elben Gildor im Herr der Ringe tut). Wir wissen, dass Tolkien bei dieser Schilderung des ‚sprachlichen’ Ursprungs seiner literarischen Schöpfung etwas übertrieben hat, aber es lässt sich nicht leugnen, dass seine philologische Kreativität oftmals Ausgangspunkt für seine Geschichten waren.
Dabei war der Oxford-Professor mit seiner Faszination für Sprache in seiner Zeit nicht ganz allein. Das späte 19. Jahrhundert sah die Geburt und frühe Blüte von Plan- und Kunstsprachen wie Volapük und Esperanto und der elbische Gruß würde auch auf Esperanto ansprechend tönen: Stelo brili sur horo nia renkontiĝo. Ich weiß leider nicht, ob Tolkien seinen Vortrag beim Esperantokongress in Oxford im August 1930 mit diesen Worten eröffnete, aber gesichert ist, dass er seinen Zuhörern ein paar Gedichte auf Elbisch vortrug. Wie weit Tolkiens Interesse an Esperanto und anderen Kunstsprachen ging, ist nicht bekannt – ich vermute, es war eher gering, denn seine Begeisterung für Sprachen wurde primär durch ihren Wohlklang geweckt und Eigenschaften wie ‚Funktionalität’ oder ‚einfach zu lernen’ spielten für den Philologen keine Rolle, ja waren eher negativ besetzt. Nicht dass Esperanto oder Volapük hässlich klingen, aber das Primat lag und liegt auf deren Zweckmäßigkeit als Mittel zur internationalen Völkerverständigung. Deklinationen müssen also absolut regelmäßig sein und der Wortschatz basiert vor allem auf Ableitungen aus Vokabeln der großen europäischen Sprachen. Tolkien hingegen hatte mit seinen elbischen Sprachen keinerlei ‚nützliche’ Absichten – im Gegenteil. Für ihn war Sprache nicht primär ein Mittel zur Informationsvermittlung, sondern vielmehr ein ästhetisches Erlebnis – und so nahm er für seine bekanntesten Elbensprachen Quenya und Sindarin seine beide Lieblingssprachen als lautliche Vorbilder: das Finnische für Quenya und das Walisische für Sindarin. Das von Dr. Helmut Pesch verfasste Gedicht auf Neo-Quenya gibt einen guten Eindruck des ‚elbischen Wohlklangs’: die meisten Wörter enden auf einem Vokal (auffällig oft ist dies ein heller Vokal wie ‚i’ oder ‚e’ oder ein ‚heller’ Diphthong wie ‚eo’ oder ‚ea’) oder einem Nasal (‚n’). Der allgemeine Eindruck ist der einer leichten, wohltönenden und angenehm zu lauschenden Sprache. Um Vereinfachungen der Deklinationen hat sich Tolkien nie gekümmert (Quenya hat zehn Kasus und vier Numeri), denn die unsterblichen Elben mussten ja nicht ‚effizient kommunizieren’ – das macht man am besten in der Gemeinsprache Westron, oder aber vielleicht im ‚Black Esperanto’, wie ein Linguist Saurons ‚Schwarze Sprache’ nicht ganz unrichtig charakterisierte.