Hätte hätte Fahrradkette

Zwischen Klischees, überzeichneten Figuren, musical-esken Gesangseinlagen und getragen von einem Klangteppich verhandelt das Theaterstück „Hätte hätte Fahrradkette“ bei der Kulturarena Fragen von Integration und Vorurteilen. Das Publikum ist live dabei, bei der Produktion einer thüringischen Sitcom für den deutschen und den arabischen Kulturraum. Ein gelungenes, viersprachiges Stück des Theaterhaus Jenas.

von Ladyna

„Heute haben wir Thüringer Klöße mit Halloumi-Füllung, Korianderfrikassee, Falafel in Senfsoße und Taboulé Roulade, …“, trällert die Frau vom Catering die Speisekarte am Filmset, getragen von einer arabischen Flöte. Denn in diesem Theaterstück, wird eine Sitcom gedreht, die sowohl den arabischen als auch den deutschen Kulturraum begeistern soll. Denn das Stück, dass vom Theaterhaus Jena bei der Kulturarena aufgeführt wird, hat gleich zwei Ebenen: die Handlung der Sitcom und der Aufnahmetrubel am Set. In der Sitcom geht es um den syrischen Angestellten eines deutschen Fahrradhändlers, der Besuch von seinem Cousin und einem Freund desselben bekommt. Gegenüber dem Besuch, der in Holland lebt, tut der Angestellte so, als sei er der Chef. Doch die Verwicklungen spinnen sich noch weiter. Zwei überdrehte holländische Touristen wollen Fahrräder mieten – und schon findet das Stück auf vier verschiedenen Sprachen statt und präsentiert zahlreiche zwischenmenschliche Konflikte. Nur der Zuschauer, der dank Übertiteln alle Darsteller versteht, kann den Überblick behalten.

Die Sitcom auf der Theaterbühne trieft nur so vor Klischeecharakteren. Die junge, alternative Rebekka will ins Ashram nach Nepal, die deutsche Bürokratie im Fahrradverleih verlang gefühlte zehn Formulare für Verleihvorgang, eine übermotiverte Tontechnikerin versucht die Schauspieler zu animieren und den Laden zusammen zu halten, die Araber haben Angst vor dem Feminismus, die deutschen verstehen keinen Humor. Und der wunderschöne Schönling, der Star, vermisst seine Fans, die ihm in Damaskus an jeder Ecke aufgelauert haben. Doch das Stück hoppelt nicht nur durch einen bunten Mix von Phrasen und politischen Plattitüden, die 13 Schauspieler und vier Musiker schaffen es auch, große Fragen anzureißen. Was kann Kunst überhaupt verändern? Und wie anders sind sie denn nun, die anderen. Wir alle sind schließlich zusammen hier, wie es im Stück selbst heißt. Doch was ist es, was die Menschen verbindet? Im Stück ist es das kollektive und individuelle Ausrasten. Der Stress. Die Überforderung. Die Risse in der Fassade, die man nicht immer verbergen kann. „Ich bin doch soooo tolerant“, brüllt der Produzent auf der Bühne. Und das Publikum kichert vergnügt in den lauen Sommerabend hinein.


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