„Ums Verrecken keine Tomte-Songs“

Thees Uhlmann und seine Band rockten kürzlich das Kassablanca. Wir trafen den St. Pauli-Fan zum Gespräch übers Vatersein, sein Album #2 und seine Setlist ohne Tomte-Songs.

von Frank

Ein Donnerstagabend, gut eine Stunde vor Einlassbeginn. Vorm Kassa hat sich bereits fast ein Dutzend Fans versammelt, früh dran, für das Konzert von Thees Uhlmann & Band. Ihr Warten wird sich lohnen, denn was der norddeutsche Rocker anderthalb Stunden lang auf der Bühne bieten wird, kann man nur beeindruckend nennen; selten konnte man einen Musiker mit so viel Spaß bei der Arbeit, so viel mitreißendem Wahnsinn bestaunen. Er liebt seine Musik – und er liebt es noch mehr, sie vor Publikum zu spielen, in Interaktion zu treten oder selbst dazu zu tanzen. Oft genug fragt man sich innerlich dabei: Ist ein Arzt anwesend? Denn Thees Uhlmann geht an seine physischen Grenzen, schweißnass, heftige Schnappatmung inklusive.
Vor diesem Feuerwerk aber treffen wir ihn noch zum Interview. Holen ihn vom Kickertisch weg – ach was, kein Problem. Die Zigarette schnell ausgetreten; die Bierflasche zischt. „Auch eins?“ Er lächelt sein Zahnlückenlächeln. Los geht’s.

unique: Thees, der SPIEGEL hat dich mal einen „Rock-Prediger“ genannt. Ist das dein Selbstverständnis, wenn du auf der Bühne stehst?
TU: Nee, das nicht. Mir bringt es schon Spaß, ein Konzert als eine gewisse Form von „Zeremonie“ aufzuziehen, dass man also nicht einfach seine Songs nur runterleiert. Aber ich bin bei Weitem kein Prediger – auch, weil es bei meinen Songs keine Aussage gibt: Ich will keine allgemeingültigen Aussagen treffen wie „Wählt bitte alle die CDU, die Welt würde ein besserer Ort dadurch.“ Dafür finde ich auch einfach die Zuhörer zu intelligent, als dass sie eine Meinung brauchen würden.

Dir geht’s also nicht um eine „Message“. Bist du dann eher jemand, der mit den Songs Geschichten erzählen will?
Das soll nicht abwertend klingen, aber es gibt keinen größeren Sinn dahinter. Alles was mich interessiert ist: Ich will einfach ’ne scheiß Platte machen und ’n scheiß Konzert spielen. Eine Platte machen, die mir gefällt und die die Leute sich gerne anhören und dann will ich einfach losfahren und Konzerte spielen.

Häufig handeln deine Texte ja von alltäglichen Kleinigkeiten – oder man könnte auch ‚Banalitäten’ sagen. Der Song „Zugvögel“ etwa von den Tieren, die sich auf Feldern treffen und zusammen fort fliegen. Man fragt sich beim Hören schon: „Was will er uns sagen, welcher tiefere Sinn steckt in dem Text?“
Bei diesem Lied war der Kick, dass ich zu meinem Kumpel Tobias [Tobias Kuhn, Co-Songwriter von Thees Uhlmann & Band, Anm. d. Redaktion] meinte: „Weißt du was, Tobi? Das kann verdammt noch mal ’n vierjähriges Kind verstehen!“ Und das andere war – nenn es vielleicht banal, man kann auch universal sagen: Jeder findet Zugvögel geil! Man sucht sich so ein universelles Symbol und singt darüber; darum geht es auch bei dem Song „Es brennt“: Du gehst an ein Lagerfeuer, stellst Hools daneben, 80-jährige Frauen und Leute, die gerade Ecstasy genommen haben – die alle werden einfach nur da stehen und sich das Feuer anschauen! Die Leute werden nicht mehr reden. Warum ist das so? Sowas find‘ ich immer gut!

Weil du gerade diesen Song ansprichst: Das Album #2 handelt immer wieder von Themen wie Feuer, Krieg, Dunkelheit… Ganz schön düster neuerdings, wie kommt das?
Ich denke, da hast du Recht: Ein bisschen dunkler ist es geworden, auf jeden Fall. Das liegt daran, dass Tobias und ich, wenn wir zusammen Musik machen, immer auch gerne so ein Stück „weiterziehen“. Nicht im Sinne von „Wir würden uns gerne musikalisch neu erfinden“, sondern eher: „Wir haben jetzt über Norddeutschland gesungen, das haben wir echt gut gemacht – und jetzt erobern wir uns das nächste Gebiet.“ Das wird dann auch manchmal ein bisschen kreativ-sportlich bei uns. Es kann zum Beispiel sein, dass wir so zusammen saßen und dann so ein Satz fällt wie: „Sollen wir mal ’n Lied über Krieg machen?“ Das hat seit 20 Jahren keiner mehr gemacht; früher war das noch so Anti-AKW-Bewegung – „wir schreiben jetzt ’n Lied über Krieg.“ Denn für viele Menschen ist Krieg ja auch heute durchaus real.

Deine Tochter ist jetzt in einem Alter, in dem sie bewusster mitbekommt, was du so singst. Beeinflusst dich das?
(schüttelt den Kopf)
Ich halte sie davon gerne noch ein bisschen fern. Also sie weiß, was ich so mache; ich schreibe ihr jeden Tag eine Postkarte: „Wir sind jetzt in Jena, hier ist alles vollgesprüht von Jugendlichen, aber die dürfen das hier auch, und das sieht total gut aus.“ Aber ich halte sie gern noch ein bisschen davon fern, denn ich mache ja ’nen komischen Job. Also, für mich ist er nicht komisch. Aber die Vorstellung: Das ist der Typ, der sagt „Jetzt ab ins Bett, jetzt gibt’s keine Süßigkeiten mehr“, und der steht plötzlich auf der Bühne, hoppelt rum und 500 Leute gucken dem zu und singen mit – ich finde das etwas viel für ein Kindergehirn. An den Kern der ganzen Sache möchte ich sie darum noch nicht ranlassen, dafür möchte ich gern, dass sie noch ’n bisschen älter wird. Sie findet das auch manchmal peinlich, was ich mache – ich hab‘ absolutes Redeverbot über sie auf der Bühne!

Und als du die Zeile „Bring mir die Söhne von allen Huren und Nutten“ getextet hast, hast du nicht gedacht, da können peinliche Fragen von ihr kommen?
Eigentlich nicht, denn wenn man in Berlin aufwächst, gibt es ja wesentlich Schlimmeres als „Huren und Nutten“. Neulich fragt sie beim Spazierengehen: „Papa, was machen die Männer da im Gebüsch?“ – das waren keine Leute auf der Suche nach Sexualkontakt, sondern Dealer oder so. Ich meine, ich bin ja nun nicht der Typ, der „ficken, saufen, geil“ singt. Und wenn dann die Fragen kommen, steh’ ich das schon durch. Das größere Korrektiv wäre da wohl eher meine Mutter – „Junge, bist du nicht ganz dicht?“

Apropos Eltern: Du spielst heute vor Leuten, deren Vater du rechnerisch sein könntest. Geht einem als Musiker da das eigene Altern durch den Kopf?
Da denke ich nicht viel darüber nach. Da ist nur Fröhlichkeit und Demut. Dass ich mit 39 Jahren immer noch Musik für junge Leute machen kann, macht mich sehr, sehr glücklich.

Vorletztes Jahr hast du am Bundesvision Songcontest teilgenommen. Kommt selbst ein Musiker wie du an solchen Events a lá Stefan Raab nicht mehr vorbei?
Man kommt schon daran vorbei. Es ist ja einfach eine souveräne Entscheidung, die man als Künstler trifft – hoffentlich, bei mir war’s jedenfalls so! Man hat bei uns einfach angefragt und bei mir ist eh die Grundeinstellung: Jeden Kram ein Mal mitmachen, selbst wenn’s dann scheiße ist, denn dümmer wird man dadurch nicht. Ich kann wirklich nur sagen, dass dieser Raab einfach wahnsinnig professionell ist. Der kam zu uns und meinte: „Ich wollt nur noch mal sagen, ich find’s spitzenmäßig, dass mal so ’ne richtige Indie-Band mitmacht.“

Du spielst mit deiner Band auf Tour keine Songs von Tomte. Andere Künstler mischen da gern mal die Setlist, du nicht?
Anfangs, als Tobias und ich die ersten Konzerte von Thees Uhlmann & Band geplant haben, kamen wir sehr schnell dahin zu sagen: Ums Verrecken spielen wir keine Tomte-Songs! Im Zweifelsfall gehen wir jetzt gepflegt zusammen unter mit dem ganzen, und alle im Publikum finden’s scheiße und rufen nach „Korn und Sprite“ oder „Schönheit der Chance“ – egal! Tomte ist mir dafür auch viel zu wichtig, um das so zu mischen; ich wollte das emotional nicht. Ich wollte auch keinen alten fame, sondern ’ne neue Sache machen und dann mach’ ich das ganz oder eben nicht. Und mittlerweile steht das eh nicht mehr zur Diskussion, weil wir so viele Songs haben, die wir so gerne spielen. (lacht)

Vielen Dank für das Gespräch, Thees!

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