Vom Leben- und Sterbenlassen

Ausgezeichnet mit dem Publikumspreis: „Stufe drei“
Ausgezeichnet mit dem Publikumspreis: „Stufe drei“


Eine Woche voller Kurzfilme geht zuende. unique zieht gemeinsam mit den Akteuren eine Bilanz des 14. cellu l’art-Festivals.

von Frank

Wie verbringt man einen sonntäglichen Spätnachmittag im April? Popcorn-kauend auf Ausschuss-Ware starrend. Die gebotene „Ausschuss-Ware“ waren die sogenannten B-Sides des cellu l’art-Kurzfilmfestivals, also jene Filme, die es knapp nicht in den Wettbewerb geschafft hatten. Die größtenteils sehr skurrilen Beiträge zeigten jedoch schnell, dass sie damit an der richtigen Stelle gelandet waren.
Eben dies bewiesen auch die im Anschluss nochmals präsentierten Gewinner-Filme des Festivals, die am Samstagabend ausgezeichnet worden waren, darunter der zurecht mit dem Publikumspreis bedachte Stufe Drei von Nathan Hill. Auch die Jugendjury, die dieses Jahr erstmals einen eigenen Preis vergeben durfte, hatte ein gutes Händchen bewiesen: School Shooting – The Musical spielt auf bemerkenswerte Art mit den Klischees des Amokläufers – und der Träller-Filmchen a lá High School Musical. Als besten Spielfilm ehrte die Fachjury dieses Jahr die Schweizer Produktion Saloperie de Prunneaux.
Einen wirklichen Edelstein der Kurzfilmkunst förderten Fach- und Jugendjury aber bei ihrem gemeinsam vergebenen Toleranzpreis zu Tage: Die schweizerisch-kanadische Co-Produktion Terminal war an Intensität kaum zu überbieten. Der Film von Regisseur Samuel Flückinger begleitet einen alten Kanadier und seine Tochter durch das winterliche Zürich. Beide sind gemeinsam in die Schweiz gereist, um die todkranke junge Frau von ihren Leiden zu erlösen – Sterbehilfe. Ein letzter Milchkaffee. Der Wunsch nach noch einem gemeinsamen Weihnachtsfest. Ein letzter Tag, erzählt in atemberaubend ruhigen und wunderbar traurigen Bildern.

Mit der sonntäglichen Wiederholung der Gewinner-Filme endete das 14. cellu l’art. Zwei der Akteure nahmen sich die Zeit, mit uns gemeinsam im Interview Bilanz zu ziehen: cellu l’art-Vorsitzender Christoph Matiss und Jugendjury-Mitglied Bella Vogel:

 

Nach einer ereignisreichen Woche: Jugendjury-Mitglied Arabella Vogel und Vereinsvorsitzender Christoph Matiss
Nach einer ereignisreichen Woche: Jugendjury-Mitglied Arabella Vogel und Vereinsvorsitzender Christoph Matiss

unique: Die Preise sind vergeben, die Arbeit ist überstanden. Wie fällt eure persönliche Bilanz des Festivals aus?
Christoph: Absolut positiv. Man kann sagen, dass die Filme sehr gut angenommen wurden und trotz des wenig kinotauglichen Wetters gut besucht waren. Das ist für uns auch eine Bestätigung, dass wir eine gewisse Bekanntheit haben – und das freut uns natürlich sehr! Man merkt aber auch, dass das Festival einen Rahmen braucht, in dem es sich entfalten kann. Das ist, vor allem mit Blick auf eine passende Location, ein generelles und keineswegs neues Problem in Jena, was einem als Organisator schon ziemliche Bauchschmerzen bereitet.

Bella: Ich fand die Filme wirklich super. Eigentlich wäre ich nie auf die Idee gekommen, als Zuschauer zu so einem Festival zu gehen, aber das wäre wirklich schade gewesen. Bisher habe ich eigentlich nur Hollywood-Langfilme oder Serien geschaut. Kurzfilme sind ja nochmal etwas ganz anderes mit den kleinen Geschichten, die sie erzählen. Ich hatte großen Spaß in dieser Woche.

Gab es für euch Überraschungen bei der Preisverleihung?
Christoph: Für mich war es eine große Überraschung, dass Saloperie de Prunneaux den Preis für den besten Spielfilm gewonnen hat. Es ist nämlich eigentlich ein kleiner, leiser Film. Interessanterweise war die Entscheidung der Fachjury da aber sehr einmütig. So eine Einigkeit im Urteil der Juroren habe ich lange nicht erlebt.

Bemerkenswerterweise haben die Schüler der Jugendjury ja ausgerechnet School Shooting – The Musical ausgezeichnet…
Bella: Wir haben im Gespräch miteinander festgestellt, dass es eigentlich keine Filme über Amokläufe an Schulen gibt. Aber an uns, als Schülern, ist diese Angelegenheit natürlich nah dran. Der Film hat eine bestimmte Leichtigkeit im Umgang mit dem Thema, kritisiert aber eben auch, wie mit solchen Amokläufen umgegangen wird. Das fanden wir wirklich gut.

Christoph, in auffällig vielen der Wettbewerbsfilme ging es mal wieder um Themen wie Sex und Tod, teils sehr explizit und ganz besonders im Filmblock „…und nun zu etwas Terror“. Ist das nicht manchmal ein bisschen over the top? In etwa: Provokation um ihrer selbst willen?
Christoph: Wir haben uns dieses Jahr für einen kontroverseren Weg entschieden. Mit dem Toleranzpreis haben wir bereits in den vergangenen Jahren den Weg hin zu einem politischeren Festival eingeschlagen. Es zeigt sich, dass das Programm darunter nicht leidet, sondern bereichert wird, wenn ein polarisierender Programmblock oder einzelne Filmen auf geteilte Meinungen stoßen. Wir finden es einfach spannender, denn natürlich lebt das Medium Kurzfilm auch davon, dass es Kontroverses bietet. Das ist in dieser Form besser umzusetzen als etwa in einem Langfilm. Insofern werden wir eher so weiter machen, als einen Schritt zurück zu gehen.

Bella, nachdem du das gesehen hast und weißt, was dich potenziell erwartet: Würdest du die Jury-Aufgabe noch einmal übernehmen?
Bella: Solche Filme waren zwar teilweise nicht so mein Fall. Aber ja, auf jeden Fall würde ich das wieder machen!

Ein anderes Thema: Das cellu l’art hat sich ja in diesem Jahr einen ganz neuen Look gegeben. Wie kam das neue Design denn an?
Christoph: So eine neue Identität braucht ihre Zeit, um sich zu etablieren. Der alte Look hatte sich in den letzten Jahren schon gut eingebrannt. Ich bin mir aber sicher, dass sich auch der neue Look einprägen wird, zumal er mit dem Motiv der Zelle eines der wesentlichen Grundelemente unserer Arbeit enthält: Beim Namen cellu l’art ist Zelluloid natürlich eine naheliegende Assoziation, aber die Zelle eben auch, weil sie sehr gut das Wesen des Kurzfilms widerspiegelt. Mit dem Logo hat unser neuer Layouter einen tollen Job gemacht.

Nach dem Festival ist vor dem Festival – gibt es jetzt schon Planungen für das nächste cellu l’art?
Christoph: Tatsächlich haben wir schon eine sehr konkrete Idee für den Länderschwerpunkt im nächsten Jahr. Es gibt da auch einen gewissen Zusammenhang mit dem Jahr 2014. Die Tatsache, dass das Publikum zahlreich und offenbar sehr zufrieden war, wird uns auf dem Weg, den wir eigeschlagen haben, weiter gehen lassen. Wir hoffen, dass es personell und strukturell machbar bleibt.

Und Bella, wirst du dir das nächste cellu l’art dann wieder besuchen?
Bella: Auf jeden Fall. Ich habe gemerkt Kurzfilme sind voll mein Ding.

Christoph Matiss (28) ist Vereinsvorsitzender des cellu l’art-Festival Jena e.V.
Arabella Vogel (16) besucht die 11. Klasse des Christlichen Gymnasiums in Jena und war in diesem Jahr Mitglied der dreiköpfigen Jugendjury des Festivals.

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