„Wat is denn da mit der Sauferei?“- Das Phänomen Mallorca

Keinem Strandabschnitt der Erde steht der „Sechser-Trichter“ so gut, wie Ballermann 6 auf Mallorca. Alkoholexzesse und Katerstimmung all inclusive. Ein Essay über die Salonfähigkeit des Rauschs.

von Silas

Unverkennbar stolziert die Gruppe mit eigens für den „Urlaub“ angefertigten T-Shirts und leicht erröteter Haut über die Promenade von Palma. Vier Tage dauerdicht zerren zwar am Gedächtnis – die Motivation bleibt, trotz widriger Umstände, hoch. Nächster Tagesordnungspunkt: Wettsaufen mit Likör 43 und drei Liter Milch, zusammengemischt in einem Eimer am Strand zwischen Sandburgen, Bierkönig und der salzigen Brise des Mittelmeers. Das Jahreshighlight der Gruppenmitglieder, die neben ihrer Teilzeit-Beschäftigung als Großspender:innen der Likörindustrie normalen Jobs in Deutschland nachgehen, wird in vollen Zügen (und Gläsern) ausgekostet. Arrangieren möchte man sich auf der größten Insel der Balearen mit den Feierwütigen trotzdem nicht. Lärmreduzierungen, drastische Strafen für Wildpinkler:innen und das Verbot des Genusses von Sangria aus Eimern mit überdimensionalen Strohhalmen drücken nicht nur den Umsatz, sondern auch die Stimmung vieler Urlauber:innen. Der Rausch als die darauffolgende Begleiterscheinung wird dennoch von der breiten Masse gebilligt.

In all der Glorifizierung, mit denen Reiseveranstalter:innen versuchen, ihre Angebote für einen Partyurlaub unter die Leute zu bringen, übersieht sie die Gefahren von Alkohol. In keinem anderen Szenario spürt man die gesellschaftliche Akzeptanz so sehr. Die beliebteste Insel der Deutschen formierte sich bereits in den 1970er Jahren zur Partyhochburg und setzte ihr wirtschaftliches Rückgrat auf den Tourismus und den damit einhergehenden exzessiven Konsum von Spirituosen und Bier. Die Gefahren der Droge werden dabei konsequent ausgeblendet. Allein in Deutschland sterben jährlich über 20.000 Menschen an den Folgen ihres Alkoholkonsums. Eine Alkoholsucht ist für dauerhafte Gesundheitsschädigungen nicht einmal von Nöten. Auch wer aus Gewohnheit regelmäßig Alkohol trinkt, schädigt den Körper und senkt die Lebenserwartung deutlich. Entscheidet man sich bewusst gegen den Konsum von Alkohol, erntet man nicht selten wehleidige Blicke und ungläubige Kommentare. Saufen ist In. Abweichler:innen sind bemitleidenswert. Das Phänomen Mallorca verstärkt die Salonfähigkeit und postuliert unverhohlen die Hingabe zur alkoholischen Ekstase. Zu guter Letzt führt die leichtfüßige Zelebrierung des Genusses vor allem in Gruppenkonstellationen, an denen es auf Mallorca definitiv nicht mangelt, zur Aussetzung der Selbstverantwortung. Dass ein Gruppenmitglied der „Malle-Schlauch-Kombo“ nach der beschriebenen Milch-Likör43-Erfahrung am nächsten Tag mit Herzrasen und Zitteranfällen fast den Krankenwagen rufen wollte und zwischenzeitlich sogar eine Abstinenz für den Tag anvisierte (!), kümmert den Rest der Gruppe herzlich wenig. „Haare fertig und ab zum Ballermann“. Malle ist nur einmal im Jahr. Und wenn es das letzte Mal war.


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