Tatort Weimar: „Ich glaub’, meine Fruchtblase platzt!“

Bratwurst-Promo für "Die Fette Hoppe" (Foto: Thüringer Staatskanzlei)

Nora Tschirner und Christian Ulmen bringen den Tatort in die Klassiker-Stadt. Natürlich nicht ohne jede Menge Bratwurst. Ihr erster Auftritt im unique-Vorabcheck.

von Frank

Nachdem die neuen Erfurter Tatort-Ermittler bereits vor ein paar Monaten vorgelegt haben, kann nun das zweite frische Duo in Thüringen seine Arbeit aufnehmen. Doch Nora Tschirner und Christian Ulmen sind natürlich alles andere als Frischlinge im Schauspielgeschäft. Die Frage ist: Können die Krimi?
Ihre Tatort-Premiere „Die Fette Hoppe“ jedenfalls lässt es an Krimi-Spannung nicht fehlen. Sie müssen das Verschwinden der Weimarer Wurstfabrikantin Brigitte Hoppe aufzuklären: ihr Auto verlassen im Halteverbot, von der Dame selbst keine Spur – bis auf das Blut im Kofferraum. Gleich an seinem ersten Tag in der Goethe-Stadt steigt der frisch angereiste Kommissar Lessing (Ulmen) also voll in die Polizeiarbeit ein und wird dabei besonders ‚liebevoll’ von seiner hochschwangeren Kollegin Dorn (Tschirner) unterstützt. Beide konzentrieren sich zunächst auf den Sohn der Verschwundenen, Sigmar Hoppe (Stephan Grossmann), bei dem kurz darauf ein anonymer Anruf eingeht; ein Entführer fordert Lösegeld für Mutter Hoppe, deren Firma die beste Bratwurst weit und breit herstellt: die „Fette Hoppe“.
Der Weimar-Tatort schafft es dabei, auf sehr unterhaltsame Art mit dem Spezialfall Kleinstadt – man ist schließlich nicht wie sonst in München oder Köln unterwegs – zu spielen: Die Szenerie ist überschaubar; jeder kennt jeden, das macht die Polizeiarbeit gleichzeitig einfach und schwierig. Polizistin Dorn und eine Verdächtige duzen sich beim Verhör; man kennt sich aus Schulzeiten. Ein provinzieller, aber angenehmer Kontrast zum ‚anonymeren’ Großstadtkrimi. Bei einem Ort wie Weimar kommt man natürlich auch um eine reichliche Portion touristenaffines Namedropping (Goethe, Schiller, Anna Amalia) nicht herum; darüber lässt sich aber noch leicht hinwegsehen.

Dialektaler Nachtragshaushalt

Schwachstellen in der Umsetzung sind hier ganz anderer Natur. So fehlt beispielsweise selbst bei ortsansässigen ‚Bekanntheiten’ wie dem dubiosen Kutscher Bogdanski (Dominique Horwitz), die scheinbar zum Inventar des Thüringer Städtchens gehören, jede Form von sprachlichem Lokalkolorit – Hochdeutsch allerorten, das klingt schnell beliebig. Bemüht bis unglaubwürdig wirkt es dann umso mehr, wenn Bogdanskis Tochter Lotte (Klara Deutschmann) plötzlich Ausdrücke wie ‚Bämme’ oder ‚Nischl’ in ansonsten glockenklar hochdeutschen Sätzen verwendet.
Überhaupt krankt der Streifen vor allem an seinen Nebenfiguren: Kutscher und Tochter beispielsweise wirken wenig authentisch, Palina Rojinski müht sich als vollbusiges Klischee-Dummchen ab. Ulmens Kommissar Lessing, der einen Faible für Statistiken hat und gerne den Frauenversteher gibt, kann hingegen auf ganzer Linie überzeugen, vor allem im Wechselspiel mit Nora Tschirner als spitzzüngiger, in Weimar verwurzelter Jungpolizistin. Beide zeigen hier, dass sie auch im Krimi, im ‚ernsten Fach’ sozusagen, brillieren können.
Obwohl: zu ernst nun auch wieder nicht, dafür sorgt nicht nur das schelmische Ermittler-Duo, sondern vor allem das Drehbuch von Andreas Pflüger und Murmel Clausen. Während der gebürtige Thüringer Pflüger bereits seit fast zwei Jahrzehnten Tatort-Drehbücher für die verschiedensten Ermittler-Teams schreibt, verdiente Clausen sich seine Sporen bisher vor allem bei Comedy-Formaten wie Ladykracher oder Tramitz & Friends. Er hat eine deutliche Handschrift hinterlassen – selbst wenn man von einigen bemüht-witzigen Wortspielen („Das ist Messing, Lessing“) einmal absieht. So lässt man Ulmen publikumswirksam in Fleischabfällen wühlen, ohne dass das eigentlich wirklich Sinn ergeben würde, wenn man kurz über die Umstände nachdenkt (und Mitdenken sollte bei einem Tatort ja noch erlaubt sein).

Jugendoffensive mit der Generation MTV

So ist es zwar ein spannender, aber in jedem Fall kein ‚klassischer’ Tatort, der den Einstand für die Weimarer Ermittler bildet. Der durchschnittliche Tatort-Zuschauer dürfte wohl das ein oder andere Mal die Stirn runzeln oder gar den Kopf schütteln, wenn er sich „Die Fette Hoppe“ ansieht. Ganz offensichtlich wollen die ARD-Planer hier das jüngere Publikum ansprechen, die Zielgruppe zwischen 15 bis 35 Jahren. Mit dem Sendetermin (26.12.) stellt man sich dabei freilich selbst ein Bein: Am zweiten Weihnachtagstag hat die Konkurrenz erwartungsgemäß Blockbuster (wie Transformers 3 oder Illuminati) aufzubieten; so lässt man sich völlig unnötigerweise junge Zuschauer wegnehmen.
Schade, denn im Ersten gibt es ausnahmsweise tatsächlich etwas zu sehen. Die Erfurter Ermittler hatten mit ihrem Einstand die Latte zwar ohnehin nicht besonders hoch gelegt. Als Gespann stecken Ulmen und Tschirner die Erfurter Kollegen jedenfalls – wen wundert’s – spielend in die Tasche. Das Ergebnis ist eine echte Premiere: ein spannender und unterhaltsamer Tatort, mit bissigem Witz und ohne eingeimpfter Gesellschaftskritik.
Wie man hört, wird schon am Drehbuch für den zweiten Fall des Weimar-Duos gearbeitet – hoffentlich müssen wir nicht bis zum nächsten Weihnachten warten!

Der Weimar-Tatort „Die Fette Hoppe“ läuft am 26.12. ab 20.15 Uhr im Ersten.

Kommentare

Eine Antwort zu „Tatort Weimar: „Ich glaub’, meine Fruchtblase platzt!““

  1. […] Und die Rostbratwurst ist mittlerweile auch ein Fernsehstar! Im Jahr 2013 spielte sie die Hauptrolle neben Nora Tschirner und Christian Ulmen im Tatort Weimar (vgl. Keith 2014). Im Fall „Die fette Hoppe“ ging es um das Verschwinden der Weimarer Wurstkönigin Brigitte Hoppe, deren Bratwurstrezept dem Film seinen Titel verleiht. Foto: Thüringer StaatskanzleiQuelle: http://www.unique-online.de/tatort-weimar/6206/ […]

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