Der vergessene Konflikt: Jeder will das Paradies

Indigene Bevölkerungsgruppen, die mexikanische Regierung und Naturschützer streiten um das Urwaldgebiet „Selva Lacandona“ in Mexiko. Eine Lösung für die Zukunft ist weiterhin nicht in Sicht.

von Katharina Bachmeier

In Mexikos südöstlichem Bundesstaat Chiapas existiert eines der letzten Regenwaldgebiete Nordamerikas. Ein Teil dieser Region, die Selva Lacandona, ist aufgrund ihrer umfangreichen Erdöl-, Wasser- und Holzvorkommen sowie ihrer biologischen Vielfalt seit mehr als 30 Jahren Gegenstand des Konflikts zwischen verschiedenen indigenen Gruppierungen, der mexikanischen Regierung, Unternehmen und Umweltschützern.

Das schwierige Erbe der jüngeren Geschichte

Die Lakandonen, eine der indigenen Bevölkerungsgruppen, leben seit ca. 200 Jahren in dieser Region. Welche Mayas ihre Vorfahren waren und ob diese schon vor dieser Zeit dort lebten, ist unklar. Sicher ist jedoch, dass den damals knapp 70 Lakandon-Familien im Jahre 1972 614.321 Hektar des Regenwaldes, der heute „Selva Lacandona“ heißt, per Dekret von der mexikanischen Regierung zugesprochen wurden. Große Teile der Selva Lacandona sind wegen der großen Biodiversität seit 1978 mexikanisches Naturschutzgebiet und wurden ein Jahr später als UNESCO-Biosphärenreservat „Montes Azules“ anerkannt.

Auslöser der bis heute andauernden Konflikte ist demnach jenes Dekret, das den Wald zum Eigentum der Lakandon-Indianer machte, existierten dort damals doch schon ca. 30 Siedlungen anderer Indìgenas (z.B. Choles und Tzeltales), die hier in ungeregelten Besitzverhältnissen lebten und ihre Landwirtschaft an die Besonderheiten des Waldes angepasst hatten.
Auch andere Gruppen von indigenen Mexikanern kamen und kommen seit den 1950er-Jahren – zunächst auf Einladung der Regierung – in das seinerzeit staatliche Waldgebiet, um sich dort ein neues Leben aufzubauen. Damals waren sie größtenteils auf der Flucht vor den sklavenähnlichen Verhältnissen auf den Plantagen der Großgrundbesitzer, heute hingegen wollen sie v.a. soziale und wirtschaftliche Probleme hinter sich lassen. Dennoch ist das Leben in der Selva Lacandona nicht paradiesisch, im Gegenteil. Es ist harte Arbeit, hier zu überleben und der dünnen Erdschicht die tägliche Nahrung abzugewinnen.

Und die Zukunft der Selva Lacandona?

Bis 2003 führte die Agrarbehörde von Chiapas wiederholt Drohaktionen und Räumungen durch und schickte dabei oft die Lakandonen vor, um die indigenen Bauern einzuschüchtern und zu vertreiben. Die Begründung war, dass die Landwirte den Wald zerstörten und illegal auf dem Land der Lakandonen leben würden. Dann änderte die Regierung ihre Strategie und lockte mit Umsiedlungsplänen. Manche ließen sich von einem extra für sie geschaffenen Dorf überzeugen und stimmten zu, andere organisierten sich in verschiedenen Bewegungen, u.a. in der im Jahre 1983 gegründeten „Ejercito Zapatista de Liberaciòn National“ (EZLN, Zapatistische Armee der Nationalen Befreiung), um für das Land zu kämpfen, das sie zum Teil seit 15 bis 25 Jahren bewohnten und bebauten. 2002 lebten noch ca. 75.000 Personen, zum Großteil als Bauern, in der Selva Lacandona bzw. im Biosphärenreservat Montes Azules.

Umweltschützer wie Menschenrechtsorganisationen fragen, wie das riesige Naturschutzgebiet vor immer neuen Siedlern bewahrt werden kann und fordern die Regierung auf, die Familien im Wald leben zu lassen. Statt viel Geld in Umsiedlungsaktionen und Gerichtsverhandlungen zu investieren, sollten die Bewohner besser in einem langfristig sinnvollen Umgang mit dem Urwald geschult und die extensive Viehzucht bzw. die großflächige Abholzung durch Holzunternehmen strafrechtlich verfolgt werden, sodass der Regenwald gesund erhalten bleibt.

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Katharina Bachmeier (24) studiert Psychologie an der FSU Jena und ist seit 2002 Mitglied bei Amnesty International. Ihr ist es wichtig, auf Ungerechtigkeiten öffentlich aufmerksam zu machen und für Menschen einzutreten, die sich allein nicht wehren können.

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Physische Karte von Mexiko mit dem Bundesstaat Chiapas unten rechts

Karte der Selva Lacandona bzw. der Montes Azules

Blick über die Selva Lacandona

Umsiedlungsaktion

Umsiedlungsaktion

Propagandazeichnung der Ejercito Zapatista de Liberaciòn National (EZLN) (Bild: Flickr, User ‚alpuerto‘)

Subcomandante Marcos und Comandante Tacho von der EZLN in der Selva Lacandona (Bild: Flickr, User ‚orianomada‘)

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