Ein langes Wochenende für den kurzen Film

Die Fachjury (v.r.: Matthias Sdun, Michaela Linow, Christian Werner) kürte "Czułość – Tenderness" zum besten Spielfilm 2016.

Selbst am letzten Festivaltag, nach der feierlichen Preisverleihung, fanden sich zum Abschluss des diesjährigen cellu l’art noch eine Menge Zuschauer im Volksbad ein.

von Frank

Am Abend zuvor waren im Großen Saal die diesjährigen Preisträger des Kurzfilmfestivals ausgezeichnet worden (wir berichteten live via Twitter). Eine lobende Erwähnung der Fachjury ging in der Kategorie „ExAnDo“ (Experimental-, Animations- und Dokumentarfilme) dabei an den israelischen Animationsfilm Load – ein Interview, das wir zuvor mit dem Regisseur Niv Shpigel führen konnten, folgt in Kürze auf unique-online.
Von den in diesem Jahr ausgezeichneten Filmen bleiben dem Publikum der Preisverleihung sicherlich zwei besonders im Gedächtnis: zum einen der als bester Spielfilm ausgezeichnete polnische Beitrag Czułość – Tenderness von Emilia Zielonka, der auf sehr bildhafte Art das Thema Abtreibung behandelt; zum anderen der mit dem Jenaer Toleranzpreis prämierte kanadische Dokumentarfilm My enemy, my brother von Ann Shin: die unglaubliche und doch wahre Geschichte zweier früherer Kriegsgegner, die sich am anderen Ende der Welt durch einen Zufall wieder treffen und beste Freunde werden.
Bei den vielen Preisträger-Filmen mit eher ernsten bis düsteren Themen sorgte zumindest der mit dem Publikumspreis ausgezeichnete Schweizer Kurzspielfilm Discipline von Christophe M. Saber zum Abschluss für viele Lacher – auch wenn ein sicher von vielen favorisierter deutscher Kurzfilm hier nicht zum Zuge kam. Auch in allen anderen Kategorien wurden in diesem Jahr ausschließlich internationale Filme ausgezeichnet.

Zwischen Stadt und finnischer Waldeinsamkeit
Die Internationalität des Festivals findet auch in jedem Jahr Ausdruck im jeweiligen Länderschwerpunkt, so wie bei diesem inzwischen 17. Festival mit Finnland. Nachdem bereits in vorherigen Filmblöcken des Länderschwerpunkts die Großthemen Einsamkeit und Familie(n) behandelt worden waren, versammelte sich am Sonntag unter dem Titel „Stadt, Land, See“ der thematisch wohl am breitesten angelegte Themenblock finnischer Kurzfilme. Im Mittelpunkt standen hierbei die Natur auf der einen und Urbanität auf der anderen Seite; Filme über das (gar nicht immer idyllische) Landleben und die Anonymität zwischen grauen Häuserwänden – oder das interessierte Nebeneinander in diesen. Letzterem widmete sich der 14-minütige Spielfilm 2b am Beispiel eines kuriosen Apartmenthauses. Für kundige Kurzfilmbeobachter gab es dabei auch ein Wiedersehen mit dem schrulligen, eierversessenen Charakter Benedict, der am Dienstag bei der Open Air-Eröffnung des cellu l’art bereits in einem der Kurzfilme für Schmunzler gesorgt hatte. Der anwesende Regisseur Henri Savolainen gab im Publikumsgespräch nach dem Film auf sympathische Art Einblicke in die komplizierten Entstehungsbedingungen des Films.
Die Dokumentation How to pick berries erzählte hingegen die fast unfassbare Geschichte von thailändischen Beerenpflückern in den Sumpfgebieten Nordfinnlands, die sich dort fernab ihrer Heimat ein schmales Zubrot erarbeiten: ein Film über die absurden Auswüchse des globalen Waren- und Menschenstroms (90 Prozent der Beeren werden exportiert – vor allem nach Deutschland).
Wie die Preisverleihung versammelte auch dieser letzte von drei finnischen Filmblöcken allerlei Unglaubliches: unglaublich schöne und unfassbar traurige Geschichten. Damit genau solche Geschichten in Jena ihr Publikum finden, stellt nun schon seit 17 Jahren ein engagiertes Team von Ehrenamtlichen das cellu l’art-Festival auf die Beine – mit viel Einsatz für den Kurzfilm und für eine Bereicherung von Jenas Kulturlandschaft. Auf ein Neues im nächsten Jahr, wenn das Festival „volljährig“ wird!

Wer das nächste cellu l’art selbst mitgestalten will, informiert sich am besten auf cellulart.de/verein.
Auf dem Laufenden zu weiteren Kurzfilm-Events bleibt man unter facebook.com/cellulart.


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