Was übrig bleibt „Tage oder Stunden“

von LuGr

Antoine (Albert Dupontel) hat seinen Job als Werbefachmann satt, seine Familie, sein ach so tolles Durchschnittsleben. Mit ein bisschen mehr Geld vielleicht schon, aber nein, es macht ihm keine Freude, der Kapitalismus ist schließlich schlecht. Der Zynismus dringt wie eine Krankheit in all seine Poren. Menschen aus seiner Umgebung, seine Frau und seine Freunde bekommen dies von einem Tag auf den anderen zu spüren, als sie ihm zu seinem 42. Geburtstag mit Geschenken überraschen, für die er nur Sarkasmus, Verachtung und Provokationen übrig hat. Antoine bricht mit seinem Leben, und das aus gutem Grund, den man als Zuschauer schon früh erahnt, der aber erst spät bestätigt wird. Bis dahin ist „Tage oder Stunden“ ein intensives Drama um den Ballast im Leben, der sich mit der Zeit anhäuft und dem nun mit Flucht begegnet werden soll. Keine Flucht in eine ungewisse Zukunft, sondern in die eigene Vergangenheit, zum Vater (Pierre Vaneck) ins ländliche Großbritannien, der vom Leben seines Sohnes ab dessen 13. Geburtstag kaum mehr Notiz genommen hatte.
Die Bitterkeit, die in diesen außergewöhnlich unaufdringlich erzählten und inszenierten Film mit behutsamen Streichern, Klaviermusik und vor allem dem großartigen Dupontel Einzug hält, überdeckt dabei elegant einige Fragen nach der Plausibilität im Handeln der Figuren. Man stellt sich selbst die Frage: Wie viel ist mein Leben wert? Wäre ein intensiver und mit vielen schönen Momenten gelebtes nicht das reichere? Am Ende von „Tage oder Stunden“ steht jedoch das Verheilen längst vernarbt geglaubter Wunden aus Antoines Vergangenheit – die Katharsis. Das ist es, was übrig bleibt.


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