Warum Jane Austen wenig mit Romantik zu tun hat


Von vielen als Autorin rührseliger Liebesromane missverstanden, hat Jane Austen
in ihrem Werk minutiös die harte Heiratsökonomie und den beschränkten Standesdünkel
ihrer Zeit beschrieben. Zwischen schmachtigen Blicken, Doppelhochzeiten und langen Kleidern versteckt sich eine ordentliche Portion Gesellschaftskritik – denn Jane Austen schreibt vor allem über die beschränkten Handlungsmöglichkeiten von Frauen ihrer eigenen gesellschaftlichen Schicht.

von Ladyna

Der Literaturkritiker Reich-Ranicki hat einmal gesagt, es gäbe nur zwei relevante Themen in der Literatur: Liebe und Tod. Eine Autorin des 18. Jahrhunderts wird dabei ganz besonders mit dem das Genre der „Liebesgeschichte“ assoziiert: die Engländerin Jane Austen. Zwar liefert sie auf den ersten Blick den perfekten Stoff für ein Hollywood Flimmermärchen. Doch wer derart an der Oberfläche hängen bleibt, verkennt die Schriftstellerin und die Aussagekraft ihrer Literatur – besonders im Kontext der damaligen Gesellschaft. Denn hinter den wiederkehrenden Grundmotiven, die scheinbar perfekt zur Traumfabrik passen, verbergen sich penible Sittengemälde.

Warum wohl verliebt sich die Heldin Elisabeth Bennet in Austens bekanntestem und schon zu Lebzeiten gelobtem Werk „Stolz und Vorurteil“ ausgerechnet dann in den grimmigen Mr. Darcy, als sie sein Anwesen, sprich das Ausmaß seines Vermögens sieht? Warum hält sich die Autorin in „Sinn und Sinnlichkeit“ damit auf, die Vermögensverhältnisse, die sich zwischen Elinor und ihrem Edward durch eine Heirat ergeben werden, ebenso detailliert wie ernüchternd zu erörtern? Und wie passt die Heldin aus „Mansfield Park“ ins Bild, die den Onkel nach dem Ursprung seines Reichtums fragt und ihm damit dessen Beteiligung am Sklavenhandel vorhält? Das alles ist Jane Austens Art, die ökonomische Komponente des Heiratsmarktes zu thematisieren und soziale Kritik in der Regency Epoche zu üben.

Heiraten hat bei Austen wenig mit dem Finden und Ehelichen eines Seelengefährten zu tun, sondern ist die einzige Möglichkeit für Frauen, eine abgesicherte gesellschaftliche Stellung zu erlangen. Um der Bevormundung durch die Verwandten nicht lebenslänglich ausgeliefert zu sein, begeben sich Frauen in die Bevormundung eines Mannes, der im besten Fall ihren Handlungsspielraum mit Geld, Einfluss und Güte erweitern kann.  Heiraten ist damit ein Abwägen der wenigen Handlungsspielräume der Frauen und ein Markt, in dem auch die Familie kräftig mitmischt.

Bei diesem Thema zeigt sich Austen nicht als verklärte Romantikerin, sondern vor allem eine ausgezeichnete Beobachterin ihres eigenen gesellschaftlichen Umfelds: der Gentry. Mitglieder dieser Schicht aus niederem Landadel und gehobenem ländlichen Bürgertum bestreiten ihren Lebensunterhalt durch die Verpachtung von Ländereien. Um ihren Status zu halten müssen sie sich  vom körperlich arbeitenden „einfachen“ Menschen radikal abheben. So flanieren die Familien durch das nachmittägliche England, sie laden ein, tratschen, jagen, gehen auf Bälle und ganz wichtig, präsentieren sich vor ihrem eigenen Stand. Jane Austens Bücher machen deutlich, wie die Gentry in einem Käfig aus selbstauferlegter Langeweile vor sich hinvegetieren.

Diese Handlungsbeschränkungen durchziehen alle Werke der Autorin. Ihre Bücher spielen auf engstem geographischem Raum und leben davon, dass die Autorin dieses Umfeld zum einen minutiös kennt, zum anderen aber über genug Abstraktionsvermögen und Spitzfindigkeit verfügt, um die Absurditäten deutlich zu machen. Jene, die Jane Austen Bücher mit der rosaroten Brille lesen, mögen diese Passagen als langatmig und redundant erleben. Doch die Autorin macht vor allem eines: Sie geht mit dem Status Quo ungeschönt und ehrlich um. Damit ist sie eine frühe Stimme, die die gesellschaftliche Randposition der Frauen nicht aktiv kritisiert, aber zumindest sehr klar auf den Punkt bringt. Besonders wenn man bedenkt, dass sie selbst zeitlebens keine Ehe einging, enthält ihr Realismus auch ein Fünkchen Rebellion. Ob aus Überzeugung, Pragmatismus oder Protektionismus ihrer Tätigkeit als Autorin ist allerdings nicht bekannt. Diese Frage hat wiederum einige Romantiker hervorgelockt, reihenweise Bücher über die Autorin zu schreiben. Ihre wirklichen Gedanken diesbezüglich hat sie mit 41 Jahren ins Grab genommen.


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