Von Gartenfreund zu Gartenfreund

von Stine

Oft werden die Omis und Opis belächelt, wenn sie denn – selbstgebrechlich – auf ihren klapprigenalten Fahrrädern behände denWeg zum kleinen Gärtchen bestreiten.Und so manch einer magsich fragen, was sie an dem StückchenLand finden mögen. Genügtes doch zumeist weder, um eineganzjährig autarke Versorgung zuermöglichen, noch besitzt mandas Land tatsächlich. Eine Pachtfläche.Ein Fleckchen Erde, das obder strengen und zahlreichen Auflagenund Reglementierungen desVereins kaum als „eigenes kleinesReich“ bezeichnet werden kann.

Und die Erinnerung/der Gedankean Volksmusik hörende Leute, diesich über Schneckenfallen und dieletzte Apfelernte unterhalten, löstmaximal das schlechte Gewissenaus, dass die eigenen Pflanzen malwieder gegossen werden müssten.Bei Anderen erweckt hingegen alleinder Gedanke an KleingartenanlagenKindheitserinnerungen zumLeben und lässt sie nostalgisch anFerien bei Oma und Opa oder Grillfeierndenken.Doch was verbirgt sich eigentlichhinter der Bezeichnung „Schrebergarten“?Nun, um die Geschichte in ihrervollen Länge zu erzählen, bedarfes etwas Zeit. Also kürze ich einmalab: Die Bezeichnung „Schrebergarten“ist auf einen gewissen HerrnDaniel Gottlob Moritz Schreberzurückzuführen. Dieser war dereinst– genauer gesagt, Mitte des19. Jahrhunderts – Arzt in Leipzigund befand, dass die „neuen Lebensumstände“,hervorgerufendurch Industrialisierung und Bevölkerungsexplosion,negativ für dieEntwicklung der Kinder seien. SeinZiel war es, die Kleinen vermehrt insFreie zu locken, wo sie sich körperlich-spielerisch betätigen sollten.So organisierte er für Kinder vonFabrikarbeitern öffentliche Wiesen,auf denen die Sprösslinge unterpädagogischer Betreuung spielenkonnten. Diese Freiflächen wurdenderart gut angenommen, dass balddie gesamte Familie dort verweilteund die „Kinderbeete“ schließlich“Familienbeete“ wurden. Nachdem Zweiten Weltkrieg erhieltendie Wiesen – mittlerweile umzäunt,privatisiert, bebaut und kultiviert –eine lebenserhaltende Bedeutung.Bei Wohnungsverlust zog man inden Garten und besserte somit vorallem auch die Verpflegungslageauf.Doch die tatsächliche Quelle derKleingartenanlagen liegt nicht inSachsen, sondern – wer hätte dasgedacht? – in Thüringen! 1787 wares, als Friedrich Schiller in einemBrief von einer unter 75 Pächternaufgeteilten Gartenanlage in Weimarschrieb. Allerdings war dieseher ein Einzelfall, dessen Prinzipnoch nicht weit verbreitet war.Dank der Industrialisierung, die mitUrbanisierungstendenzen einherging– also dass die ländliche Bevölkerungin die Städte zog – wuchs dieBedeutung eines eigenen kleinenGartens rasant. Die Unterschiedezwischen Stadt und Land wuchsenzusehends an, so wurde hauptsächlichin kleinen Wohnungen gehaust,die Arbeit war meist monoton undFreizeit ein Fremdwort. – Ihr merktschon, hier kommt der Herr Schreberins Spiel. Neben seinem naturheilkundlichenAnsatz gibt es nocheinen eher romantischen Grund,der die Verbreitung von Kleingärtenrasch vorantrieb: Die Sehnsuchtnach der ländlichen Freiheit.Aber was ist heute noch von dereinstigen Philosophie geblieben?Da Kleingartenanlagen in der Regelam Stadtrand gelegen sind, schlagensie quasi eine Brücke zwischenurbanem und ruralem Leben. Sobieten diese Orte Ruhe und stadtnahenKurzurlaub, die mit Erholungvon dem städtischen Leben mit allseinen Regeln, der Bürokratie undNähe einhergehen. Wenngleich diestrikten Satzungen der Vereine ungeahntpenibel festlegen, welcheund wie viele Pflanzen in einemGarten wachsen dürfen bzw. rausgenommenwerden müssen oderdürfen oder auch wann man sich inder Anlage aufhalten darf.Nichtsdestotrotz halten die Landesverbändean der Tradition fest. DerThüringer Landesverband, der heute32 eigenständige Verbände umfasstund 74.000 Mitgliedern zählt,betont dieses Vorhaben explizitund erklärt allgemein das Ziel, dieIntegration gesellschaftlicher Randgruppenzu unterstützen. Auchwenn sehr infrage zu stellen seinmag, ob die Anlagen tatsächlichbarrierefrei gestaltet sind und wirklichjeder, gleich welcher Herkunft,mit offenen Armen empfangenwird, bieten Schrebergärten ihrenBesitzern dennoch die Möglichkeit,die eigenen vier Wände zu verlassenund sich ein Stückchen Naturzu gestalten – gleich ob jeder Halmdes Rasens dieselbe Länge unddenselben Winkel des Emporragensaufweist, oder aber Kraut nicht vonUnkraut zu unterscheiden ist.Und hat es nicht einen gewissenCharme, wie die Anlagen die Bergeum Jena empor klettern, an Sommerabendenein Meer vieler kleinerLichter den Stadtrand markierenund der Duft von Gegrilltem zu vernehmenist?


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