Rezension: Zwölf Jahre später

Kann man auf 217 Seiten die Lage eines internationalen Krisenherds erklären? Das Buch Irak – ein Staat zerfällt, erschienen im Promedia Verlag, versucht es.

von Robert

Der Sammelband beleuchtet die instabile politische Situation des Landes vor dem Hintergrund der Entwicklung in den letzten 25 Jahren. Ein Großteil der Beiträge hat tagesaktuellen Bezug. Diese Aktualität eröffnet dem Leser völlig neue Einblicke in die Thematik, Einblicke, die weiter gehen als Berichte über die Versuche der Bush-Regierung, Massenvernichtungswaffen im Irak ausfindig zu machen. Hans-Christof von Sponeck schreibt von der perfiden Zermürbungspolitik der UN und der USA gegenüber dem Regime Saddam Husseins, die die Bevölkerung des Landes hungern ließ, ohne die politischen Umstände zu verändern. Ali Cem Deniz befasst sich mit dem autonomen kurdischen Gebiet im Nordirak und seinem Verhältnis zur Türkei. Werner Ruß beleuchtet die jüngste Entwicklung von „Al Qaida im Irak“ zum sog. Islamischen Staat (IS) und den Einfluss des saudischen Königshauses auf diese. Die Beiträge sind ebenso aufwendig wie detailliert recherchiert und die Autoren scheuen auch unpopuläre kapitalismus- und amerikakritische Thesen nicht: So wird zum Beispiel darauf verwiesen, dass die Analphabetenquote zu Zeiten Saddam Husseins bedeutend geringer war als nach der US-amerikanischen Invasion 2003, oder dass seitdem ein Großteil der einheimischen Industrie von amerikanischen Großkonzernen übernommen wurde.
Allerdings ist Vorwissen von Nöten. Schlüsselereignisse, wie die Präsidentschaftswahlen im Irak, der Verlauf beider Golfkriege und Namen von wichtigen Akteuren aus Politik und Wirtschaft werden, wenn überhaupt, nur kurz erläutert. Wer nicht in Nahostpolitik versiert ist, wird auch mit den beiden ersten Beiträgen, die sich mit den verschiedenen Ethnien und Religionen im Land sowie mit der Geschichte des Iraks seit Beginn des 20. Jahrhunderts befassen, nur unzureichend auf das darauf Folgende vorbereitet werden. Wer auf Diagramme und Bebilderung Wert legt, wird auch enttäuscht. Im gesamten Band befinden sich nur äußerst wenige Illustrationen und keine Fotos.
Ansonsten ist Irak – Ein Staat zerfällt geradezu ein vorbildhaftes Sachbuch: flüssig im Stil, ohne oberflächlich zu bleiben. Die Anordnung der Beiträge ist in sich geschlossen. Hintergründe, Analysen und Berichte: Ein Buch, das hält, was es im Untertitel verspricht.

Tyma Kraitt (Hrsg.):
Irak – Ein Staat zerfällt
Promedia Verlag 2015
217 Seiten
17,90€

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