Rezension: Sonnenuntergang – ein Lied von zwei Tölpeln

Thomas Schläfer und Krishan Zeigner spielten gestern live bei der Kulturarena groovige elektronische Clubmusik. Begleitet wurden sie von einer alten Filmrolle, die zufälligerweise Murnaus Stummfilm-Meisterwerk Sunrise enthielt.

von David

Was ist noch besser als Musik? Live gespielte Musik natürlich! Die Verbindung zwischen Hörern, Klängen und den Spielenden ist schließlich nirgendwo so lebendig wie bei einem richtigen Konzert. Hier kann die Energie einer Band – sofern sie natürlich talentiert ist – ungefiltert auf das Publikum übertragen werden und dieses in regelrechte Begeisterungs- und Schweißausbrüche treiben.

Genau dies haben beim gestrigen Kulturarena-Konzert Thomas Schläfer (DJ, Elektronik) und Krishan Zeigner (Schlagzeug) vom Jenaer Musikerkollektiv Feindrehstar mühelos geschafft. Ihre lustvolle und ekstatische Spielkraft, bei der Virtuosität keineswegs aufdringlich in den Mittelpunkt gestellt wurde, brachte das Publikum schwer zu grooven. Schläfer wiederholte simple, aber äußerst kühne Motive minutenlang, um Spannung aufzubauen und wurde dabei überaus lautstark von Zeigners treibenden House- und Hip-hop-inspirierten Beats begleitet.

Die Musik wurde jedoch niemals zu abstrakt. Gerade Schläfer stellte seine schier unendliche Erfindungsgabe unter Beweis, indem er den musikalischen Flow mit überaus originellen Samples gekonnt brach: Flüstern, Klänge aufprallender Pingpong-Bälle, sexy Sax-Grooves und vieles mehr sorgten für große Abwechslung und fröhliche Erheiterung. Die beiden Musiker steckten sich dabei selbst unwillkürlich an ihrer eigenen Begeisterung für ihre Musik an: Sie tänzelten, wippten, nickten fröhlich mit dem Kopf – ganz und gar mit sich selbst zufrieden!

Schläfers und Zeigners fünf Feindrehstar-Kollegen waren leider nicht anwesend, daher musste als Ersatz eine alte Filmrolle mit einem alten Film dienen, der auf eine Leinwand projiziert wurde. Es handelte sich um Sunrise – A Song Of Two Humans des Regisseurs Friedrich Wilhelm Murnau: ein ganz alter Streifen von 1927, der schwarz-weiß war und bei dem die Figuren nicht sprechen. Klingt zwar komisch, ist aber so. Sunrise brachte einen kleinen verstaubten Vintage-Charme in das hochgradig moderne, ja gar postmoderne Konzert, lenkte jedoch an manchen Stellen die Aufmerksamkeit der Zuhörer etwas ab.

Ein großes Fiasko war freilich die vorangehende Anwerbung des Abends. Wer sich Programmhefte, Website und Plakate der Kulturarena angeschaut hatte, hätte tatsächlich auf die absurde Idee kommen können, dass der komische alte Film als das eigentliche zentrale Ereignis des Abends geplant gewesen sei. Dabei ist Sunrise an sich offensichtlich uninteressant, gilt lediglich als grandioses Filmmeisterwerk. Von gänzlich unhippen Filmkritikern wird er regelmäßig in Jahrhundert-Toplisten erwähnt und hat mit seinen langen Plansequenzen, mehrfachen Belichtungen, Rückprojektionen, komplexen Setdesigns, suggestiven Beleuchtungen und einer zutiefst einfachen aber ergreifenden Liebesgeschichte nur die fast völlige Unbegrenztheit filmischer Ausdrucksmöglichkeiten aufgezeigt. Mit anderen Worten: als Vintage-Deko für ein so dermaßen spannendes Elektro-Konzert gerade noch zu gebrauchen.

Jener Teil des Publikums, der tatsächlich eine Aufführung von Murnaus großem Meisterwerk Sunrise mit musikalischer Begleitung erwartet hatte, ging jedenfalls das Risiko ein, sich nach wenigen Minuten im falschen Film zu wähnen.

Es besteht aber natürlich die winzige Möglichkeit, dass nicht der Film „falsch“ war…

Kommentare

Eine Antwort zu „Rezension: Sonnenuntergang – ein Lied von zwei Tölpeln“

  1. Avatar von willie
    willie

    Mensch David,

    ich fand’s gar nicht so schlimm – eher ziemlich gut. Bei vielen Szenen haben die Musiker die Grundstimmung ziemlich genau getroffen ohne von der Handlung abzukupfern und in etlichen Fällen haben sie ganzen Passagen einen eigenen Beigeschmack gegeben und sie mal in eine düstere Richtung, humorvoll oder wie in einer Zeitmaschine zugespitzt und kommentiert, was dem Film meines Erachtens sehr gut tat und die ganze Aufführung aufgewertet hat.

    Nur für dich muss es echt hart gewesen sein, eine Aufführung besprechen zu müssen, die dir augenscheinlich gar nichts gesagt hat. Das du dann auch noch angehalten wurdest, dein Unverständnis unbedingt auf originelle Weise auszubreiten, ist fast schon frech – war dir doch wahrscheinlich nicht nach lachen zumute. Aller ehren wert, dass du es wenigstens versucht hast.

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