„Der Zuschauer soll Magie erleben.“

Foto: J. López-Escobar

Alfonso Rituerto und René Knizia berichten, was heutzutage dazugehört, um Zauberer zu sein.

von Robert

Alfonso Rituerto schreitet in Jeans und Sakko durch den prall gefüllten Saal. Er tritt an einen Zuschauer heran und fordert ihn auf, an eine bestimmte Spielkarte zu denken, sie aber nicht zu nennen, sondern verdeckt ihren Namen auf einen Zettel zu schreiben und ihn dann zusammenzufalten. Der Magier nimmt den Zettel, lässt sich von einem anderen Zuschauer eine glühende Zigarette reichen und entflammt das Papier. Aus den Flammen erscheint plötzlich die Herzdame. Ein Augenblick des Staunens legt sich über den Saal – es ist die Karte, an die der Zuschauer gedacht hat – und dann ertönt ein schallender Applaus.
Wie die meisten Magier zu Beginn ihrer Laufbahn arbeitet Alfonso viel mit Karten, Münzen oder Zigaretten. „Durch den Umgang mit Karten kann man unglaublich viel über das Konzept von Zauberei erlernen. Vor allem sind sie sehr günstig in der Anschaffung und extrem flexibel: Man kann sie verschwinden lassen, sie aber auch für Gedankenlesen oder Manipulation nutzen. Mit Karten kann man unglaublich viele verschiedene Effekte erzeugen“, berichtet René Knizia, Berufsmagier und Vorsitzender des Ortszirkels Jena des Magischen Zirkels Deutschland (MZD). Regelmäßiges Training sei unerlässlich, um Techniken zu perfektionieren und Fehlerquellen zu minimieren. Alfonso hingegen liegt oft einfach stundenlang im Bett und lässt seine magischen Kunststücke immer wieder und wieder vor seinem geistigen Auge ablaufen. Wenn er nicht an seinem bestehenden Repertoire arbeitet, versucht Alfonso neue Tricks zu erfinden. „Ich führe viele klassische Zauberstücke auf. Aber mein Ansporn ist es, so viel wie möglich selbst zu entwickeln. Ich habe vielleicht über hundert Ideen für magische Kunststücke.“ Von denen haben es allerdings bisher nur vier in die reale Welt geschafft. Das Problem ist oft nicht die Idee – die Schwierigkeit liegt darin, mithilfe präziser Methoden und Techniken den Effekt auf der Bühne möglichst wirkungsvoll zur Schau zu stellen. Vor 15 Jahren führte Knizia einen Schwebeeffekt vor, bei dem allerdings die Haltevorrichtung ihren Dienst versagte. Aus mehreren Metern Höhe schlug er, unter dem Gelächter des Publikums, auf die Bühne auf. Und auch Alfonso musste schon für seine Darbietungen leiden. 2012 wollte er von einem Podest auf die Bühne springen, verfehlte aber das Ziel. Die Folgen: eine Rückenverletzung und drei Monate Arbeitsunfähigkeit. „Es ist wichtig, auch Fehler zu machen. Nur so kann man Schwachstellen erkennen und reduzieren“, so Knizia.

Größe ist nicht alles
Wer jetzt denkt, dass langjährige Zauberei zu immer aufwendigeren und gefährlicheren Effekten führe, irrt sich. Ein magisches Kunststück lebt nicht von seiner Größe, sondern von der Präsentation. Knizia ist sich sicher: „Egal ob ich die Freiheitsstatue verschwinden lasse oder Tricks mit einem Seil mache, die Leute müssen mir das abkaufen. Es ist alles eine Frage der Authentizität.“ Großillusionen können den Rahmen eines Auftritts schier sprengen. Der Zuschauer soll Magie erleben, soll etwas eigentlich Unmögliches sehen und es – nur weil er es sieht – bis zu einem gewissen Grad glauben.
Dazu gehört auch das Bühnenimage. Die wenigsten Magier performen heutzutage noch mit Frack und Zylinder. Dennoch haben Alfonso und Knizia eine Bühnenuniform. „Ich trage gern Sakkos. Denn einerseits sieht man in denen echt cool aus, und man hat viele Taschen, mit denen man arbeiten kann“, erzählt Alfonso. Doch zum Image des Illusionisten gehört mehr als nur die Kleidung. Knizia hat sich über die Jahre hinweg eine Bühnenpersönlichkeit aufgebaut und mimt in seinen Shows den „Ruhigen und Gediegenen“, wie er selbst sagt. Alfonsos Bühnencharakter ist noch nicht dermaßen gefestigt und durchdacht. Aber er bemerkt an sich selbst, dass er während seiner Auftritte ein anderer ist. „Wenn ich zaubere, bin ich viel souveräner als sonst. Ich kann in einer Kneipe jede Frau ansprechen und ihr meine Stücke zeigen. Zaubere ich nicht, verbringe ich den Abend allein am Tresen.“
Knizia wie Alfonso sind beide Spätzünder was die Magie betrifft. Beide fingen mit 20 an neben dem Studium zu zaubern. Alfonso hatte früher sogar eine regelrechte Abneigung gegen Magier. Erst das Fernsehen entfachte sein Herz für die Zauberkunst. Mittlerweile zaubern beide mit Leidenschaft und können ihren Lebensunterhalt damit bestreiten. Knizia hat sich über 20 Jahre hinweg einen Ruf erarbeitet und wird regelmäßig für Auftritte gebucht. Alfonso, der noch am Anfang seiner Professionalität steht, demonstriert seine Kunststücke oft auch einfach auf der Straße oder in Kneipen und muss sich den Weg auf die größeren Bühnen noch erarbeiten. 2009 gewann Alfonso den dritten Preis des Cabra-Cadabra Festivals in Cordoba. Ein einschneidendes Ereignis in dem Leben des jungen Spaniers. „Davor hatte ich nur meine Familie und meine Kommilitonen mit meinen Kunststücken belästigt“, berichtet er mit einem verstohlenen Lächeln.
Alfonso ist seit Anfang 2015 Mitglied des Magischen Zirkels Deutschland. Dieser bietet nicht nur ein Netzwerk von Gleichgesinnten, sondern richtet auch alle drei Jahre die Deutschen Meisterschaften der Zauberkunst aus. Trotz häufiger Fragen nach ihren Tricks steht für Knizia wie Alfonso eins fest: Sie verraten darüber nichts. Das ist nicht nur Zaubererethos, sondern sogar in der Satzung des MZD festgeschrieben. Wer sich in die Materie der Zauberkunst einarbeiten will steht trotzdem nicht vor verschlossenen Türen. „Die magischen Kunststücke sind eigentlich geheim, aber wer will, kann sich einfach Bücher bestellen oder im Internet suchen. Es ist sozusagen ein öffentliches Geheimnis“, erklärt Alfonso mit einem Augenzwinkern. Auch der MZD kümmert sich um den magischen Nachwuchs. Eine umfangreiche Bibliothek steht allen Mitgliedern offen und es werden Workshops angeboten, um die eigene Performance zu verbessern.

„Alles nur eine Show”
Trotz dieser Nachwuchsförderung steht es verhältnismäßig schlecht um die Zauberei in Deutschland. Vergleicht man die Situation mit dem Anfang des 19. Jahrhunderts, als die Zauberkunst einen regelrechten Hype erlebte und Magier in den angesagtesten Salons der High Society gastierten; oder dem Ende des letzten Jahrhunderts, als David Copperfield und Hans Glock ganze Stadien füllten und ihre Shows zur Primetime im Fernsehen liefen – dann fristen Zauberer heutzutage eher ein Schattendasein. Man sieht sie eher auf kleineren Veranstaltungen wie Hochzeiten oder Firmeneröffnungen. Knizia selbst hat keine fundierte Erklärung für den Rückgang des öffentlichen Interesses. „Ich denke, wir in Deutschland sehen vielleicht zu wenig gute Magie im Fernsehen und wenn überhaupt Magie läuft, wird sie meistens nicht angenommen – zum Beispiel The next Uri Geller“, vermutet er. Auf die Frage, was er eigentlich von besagtem Uri Geller und dessen Fernsehpräsenz in den letzten Jahren hält, antwortet Knizia recht diplomatisch: „Es ist doch im Endeffekt alles nur eine Show. Und wenn zu dieser Show gehört, ich kann mit einem Raben reden und man das dann gut rüberbringt, ist das doch vollkommen im Sinne der Sache. Denn eigentlich ist es doch jedem klar: Man bedient sich irgendeines Tricks.“

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