Grausames durch Groteske erträglich machen

Autor Slobodan Šnajder (Archivfoto / wikicommons)

Am Abend des 29. November las der kroatische Autor Slobodan Šnajder im „Internationalen Centrum – Haus auf der Mauer“ in Jena.

von Dennis

Im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Literarische Verarbeitungen von Kriegs- und Gewalterfahrungen und ihre Übersetzung. Deutschland und das ehemalige Jugoslawien im Dialog“ las Šnajder zwei Geschichten aus seinem neuesten Werk, das in deutscher Sprache im Jahre 2019 auf der Leipziger Buchmesse erscheinen soll. Mit bei ihm waren seine beiden Übersetzer Mirjana und Klaus Wittmann, welche die vom Autor im kroatischen Original vorgetragenen Geschichten im Anschluss auf Deutsch übersetzten.
Slobodan Šnajder ist Jahrgang 1948 – und war somit nach eigener Aussage Anhänger der 68er-Bewegung aus Überzeugung. Er wurde in der kroatischen Hauptstadt Zagreb geboren, wo er auch ein Studium der Philosophie und der Anglistik abschloss. Anschließend arbeitete er viele Jahre am Theater. Berühmt geworden ist er unter anderem durch sein Stück Der kroatische Faust, das sich auch mit den Massenvergewaltigungen während des Bosnienkrieges beschäftigt.
Die erste Geschichte des Leseabends handelt von Sofia – einer zerfledderten Leiche, die auf der Donau hinaus ins Schwarze Meer treibt und dennoch anmutig einer Ophelia oder einer Sirene ähnlich beschrieben wird. Diese Geschichte ist bereits symptomatisch für die Arbeit von Šnajder: das Grausame auf poetische Weise auszudrücken. Der Autor selbst sagt, er begreife es als seine Aufgabe, das Schlimme zu erfassen, ohne jedoch zu pathetisch zu werden.
Er behandelt zudem die Geschichte von Juden, die sich vor den Nationalsozialisten auf der Flucht befinden. Literarisch schafft er eine bedrückende Atmosphäre – durch den großen Hunger seiner Protagonisten, die weinenden Kinder, die Verzweiflung der jungen Mütter. Die Schwere der Worte verschmilzt geradezu mit Jenas Novemberkälte draußen vor den Fenstern.

Literatur und (Lebens-)Geschichte
Der entstehende Roman hat laut Šnajder auch eine Dimension jüdischer Geschichte, gerade weil er auch das jüngere Kriegsgeschehen Europas aufarbeitet, von der Rivalität zwischen Österreich-Ungarn und dem Osmanischen Reich bis zu den Jugoslawien-Kriegen. Für ihn persönlich sei es jedoch immer noch die Literatur, auf welcher der Fokus liegt, und keine Historiographie.
Im Laufe der Lesung kristallisiert sich zunehmend heraus, dass der Autor auch vieles aus seiner persönlichen Geschichte verarbeitet: Seine Ahnen sind 1796 aus Deutschland ausgewandert. Als Vater und Mutter starben, konnte er eine lange Zeit nicht mehr schreiben. Als er nach dem Tod jedoch verschiedene Dokumente erhielt, entschloss er sich, seine eigene Familiengeschichte in den Roman einfließen zu lassen. Aufgrund deutscher Wurzeln wurde sein Vater in die Waffen-SS nach Polen eingezogen, wo innerhalb von zwei Wochen ganze Divisionen verschwanden, während seine Mutter als Kommunistin im KZ war. Die Ehe der Eltern wurde geschieden, als er eineinhalb Jahre alt war, und Šnajder sah seinen Vater erst wieder, als er bereits 14 Jahre alt war. Zudem schildert der Autor ein weiteres prägendes Ereignis: 1990, zu Beginn der Jugoslawien-Kriege, bekam er einen Brief von Verwandten, von denen er 45 Jahre nichts gehört hatte. Der erste Satz des Briefes: „Es ist wieder Krieg.“
Die Reaktion des Publikums in Jenas „Haus auf der Mauer“ ist begeistert: Seine Werke seien die poetische Ausgestaltung des Lebens und vereinheitlichen verschiedene Lebensformen. Sie seien mystisch und märchenhaft, volkstümlich und kulturell in einem ganzheitlichen Bild zusammengefügt.
Abschließend hält Šnajder fest, dass es die Hauptintention seiner Werke sei, Grausames durch Groteske und Ironie erträglich zu machen. Dies sieht er als ein gesellschaftliches Muss an.

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