Kurzfilme aus dem Iran: Propaganda & experimentelle Versuche

Propaganda-Filme – ein Genre, das uns vielleicht weniger bekannt ist, war Teil des Länderschwerpunktes Iran beim Kurzfilmfestival cellu l’art. Im Kontrast dazu überzeugten junge iranische Filmemacher mit einer mehrdeutigen Filmsprache beim abschließenden dritten Filmblock.

von Lea Deubner & Belind

An diesem Donnerstagabend wurde beim zweiten Filmblock des Länderschwerpunktes ein interessanter Mix aus politischen, religiösen und moralischen Propaganda-Filmen aus dem 20. bis ins 21. Jahrhundert gezeigt. Im Iran werden solche Filme zum Teil sogar staatlich finanziert und schaffen es zum Großteil auf Filmfestivals, vereinzelt sogar in die Kinos.
Direkt zu Beginn eine kritische Darstellung der USA durch den Film ما مقاومت می کنیم (We will resist), basierend auf dem realen Absturz des Iran-Air-Flugs 655 im Juli 1988: Die US-Navy greift den Iran an, in dem bis eben das glückliche, gutbürgerliche Leben spielte, das Szenario verwandelt sich in eine dunkle Schaubühne mit dramatischer Musik. Durch Effekte wie eine extravagante Videospiel-Darstellung sowie einen Fokus auf das Leid von Frauen und Kindern soll an die Gefühle des Publikums appelliert werden. Im Kontrast dazu stand dagegen der Clip قهرمان های الکی (Fake Heroes), in dem die USA auf ironische Art kritisch besungen werden und mit Bildern von Krieg, fehlgeschlagenen Interventionen und dem neuen Präsidenten Trump als „wahnsinniger Idiot“ beziffert wird.
Viele der Filme verursachten rege Denkanstöße im Publikum, wie sich in der anschließenden Fragestunde zeigte. Denn nicht bei jedem Film war auf den ersten Blick erkenntlich, inwiefern es sich hier um Propaganda handeln solle. Ein Beispiel hierfür war der Kurzfilm نجس (The Unclean), in dem ein muslimischer Mann sich um einen schwer verletzten Hund, den er zuvor angefahren hatte, kümmern wollte. Seitens seiner Familie und Freunde bekam er dafür jedoch nur Missbilligung und Ablehnung zu spüren, da Hunde im Islam als unrein gelten – und doch, die Moral des Mannes wiegt stärker, er kann den Hund nicht einfach zum Sterben zurücklassen. Hier wurde ein Moralkonflikt thematisiert, der uns zwar weniger bekannt ist, sich jedoch auf andere innere Konflikte unseres Lebens übertragen lässt.
Ebenfalls für Erklärungsbedarf sorgte der humoristische Clip المک (The Gas Pipe), in dem alle Menschen immer wieder gegen eine aus der Wand ragende Gasleitung rannten – trotz vieler Bemühungen, auf die Gefahr aufmerksam zu machen, trug nichts zu einer echten Lösung bei. Erst als ein Mullah, also ein islamischer Gelehrter, seinen weißen Turban über das Rohr hängt, ist ein gewisser Schutz geschaffen. Dabei ist ein solch hoher Gelehrter normalerweise nie ohne seinen charakteristischen Turban anzutreffen – auch hier rückt die menschliche Moral erneut in den Fokus. Insgesamt eine sehr vielfältige und anregende Zusammenstellung aus Kurzfilmen des Kurators Anoush Masoudi, die das Publikum auf ganz unterschiedlichen Ebenen ansprach, zum Nachdenken angeregt und berührt hat.

Experimentelles auf Persisch
Spätestens seit den Filmen des im letzten Jahr verstorbenen Abbas Kiarostami, der international für seine künstlerische Ästhetik gefeiert wurde, hat die Filmkultur in und außerhalb von Iran an Bedeutung gewonnen. Dass es aber nicht nur um die reine Ästhetik im Film gehen kann, zeigte vor allem der Freitagabend mit Fokus Iran: Digitalisierung und die damit gewonnene Unabhängigkeit vieler Filmemacher erschwert bisweilen eine staatliche Zensur und die Verbreitung der Werke im Netz lässt für die Welt einen Blick in die Kultur und das Leben der Iraner zu. Junge Filmemacher, so zeigte der dritte Filmblock zum Länderschwerpunkt, Made in Iran, greifen immer wieder zurück auf ästhetische Mittel, um vor allem soziale Themen der iranischen Gesellschaft zu transportieren.
Sei es der Soldat, der auf kreative Weise einen innerlichen Konflikt löst, um den Befehl des Generals trotz allem zu gehorchen. Dass man eine Geschichte rund um ein iranisches verheiratetes Paar erzählen kann, auch ohne die beiden ein einziges Mal zu zeigen, zeigt der Film حضور (Presence) von Shahram Badakhshanmehr: Einzig allein die Stimmen und einzelne Einstellungen aneinandergereiht gewährt uns als Zuschauer einen Einblick in das alltägliche Leben der Iraner. Neben sozialen Konflikten einer iranischen Familie im fernen Kanada oder der hypothetischen Unterhaltung von zwei verheirateten Frauen über Untreue, überzeugt vor allem der Experimental-Kurzfilm نیوزیف (Newzif) von Mohamad Esmaeeli mit einer interessanten Neuinterpretation einer ganz bestimmten Figur der griechischen Mythologie.
Iran hat mehr zu bieten als reine Ästhetik oder politisch aufgeladene Filme aus dem „Untergrund“. Und mit der „richtigen“ Mischung aus Ästhetik und gesellschaftlich-sozialen Themen gelingt sogar die Umgehung einer Zensur.

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