Wagner „light“: Der große Zyklus mit kleinen Darstellern

Weimar erlebte im Rahmen des Kunstfestes eine besondere Aufführung von Richard Wagners Opernzyklus Der Ring des Nibelungen – mit Marionetten.

von David

26 Jahre lang, von 1848 bis 1874 arbeitete Richard Wagner an seinem Opernzyklus Der Ring des Nibelungen. Am Ende stand ein monumentales (manch einer würde sagen: monströses) Werk aus vier Opern mit einer Gesamtdauer von über 16 Stunden. So dermaßen viel Sitzfleisch war allerdings am Sonntag in Weimar nicht nötig: Das Salzburger Marionettentheater brauchte, wenn man die Pause wegrechnet, knapp unter zwei Stunden, um den Zyklus aufzuführen – in einer ganz eigenen Art und Weise, versteht sich.

Die Aufführung wurde von den zwei Schauspielern Christiani Wetter und Tim Oberließen begleitet. Sie kommentierten, oft auch sehr ironisch, die Handlung, die die Marionetten unter der Begleitung der Originalmusik (vom Band) spielten. Somit konnten sie auch mit raschen Übergängen die Handlung verkürzen und verdichten. Die beiden Schauspieler griffen aber auch in der einen oder anderen Rolle aktiv in die Handlung ein. Eine Projektion über der Bühne mit kurzen Zusammenfassungen und Kommentaren sorgte für weitere Klarheiten und Erheiterungen.

Denn ja: der Abend war quickvergnüglich, trotzdem Wagner nun nicht gerade für seinen überschwänglichen Humor berühmt geworden ist – oder vielleicht gerade auch deswegen. Ein geradezu „epischer“ Schwertkampf zwischen Tim Oberließen und einer Marionette sorgte genauso für Lacher wie die nervöse Quengeligkeit von Brünhildes Pferd Grane. Da konnte es schnell passieren, dass man aus lauter Vergnügen vergisst, welche ungeheuren und schier beeindruckenden technischen Fingerfertigkeiten im Spiel waren.

Die extreme Verdichtung zeigte unwillkürlich auf, wie viel Trash-Potential Wagners Opernwerke eigentlich haben. Die Handlung: inzest-geschädigte Prolls vögeln und hauen sich gegenseitig zu Tode auf der Suche nach einem Ring, der einigen „Synchronschwimmerinnen“ gestohlen worden ist. Das ergibt sicherlich nicht sehr viel Sinn. Diese besondere Interpretation des Rings sah dies stellenweise auch ein: Wenn Siegfried nach seinem Bad im Drachenblut (wurde nicht gezeigt: wäre ja eine „zu große Sauerei“) plötzlich die Vögel versteht, konnte man in der Projektion über der Bühne sinngemäß lesen: „Bitte nicht wundern, wenn Sie den Gesang des Vogels nicht verstehen. Sie haben ja schließlich nicht in Drachenblut gebadet, oder?“ Dogmatischen Wagner-Puristen dürften sicher die Haare zu Berge stehen. Wagner-Liebhaber jedoch dürften erkennen, wie viel Liebevolles hinter der technisch hochanspruchsvollen Aufführung steht, die doch auch immer eine Hommage ist.

Einziger Wermutstropfen des Abends war, dass im Text der beiden Erzähler dann doch manch ein kalauernder Witz lahm, manch eine Pointe völlig überzogen, manch Stützen auf Aktualität zu bemüht war (auch, wenn an diesen Stellen befremdlicherweise ein Teil des Publikums besonders laut lachte). Das Motto der Aufführung, wonach weniger mehr ist, hätte man auch da konsequenter durchsetzen können. Dennoch dominiert der positive Gesamteindruck: Auch Opernskeptiker konnten in dieser besonderen szenischen Aufführung auf ihre Kosten kommen. Sozusagen große Unterhaltung mit „kleinen“ Darstellern.

(Fotos: © Christina Canava)

Das Kunstfest Weimar läuft noch bis zum 14. September.
Weitere Informationen unter: www.pelerinages.de

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