Theater in den Straßen Jenas

Vom 9. bis zum 12. Oktober wurde die Gegend am Johannistor in einen Märchenwald verwandelt: Ein kleiner Rückblick auf das diesjährige Kurztheaterspektakel.

von Ilze Polakova

Schon tagsüber werden kleine Zelte und Tische im Faulloch aufgestellt und von hin und wieder im Gewölbekeller unter der Stadtmauer verschwindenden Menschen besetzt. Es klingt wie Musik; es riecht nach Essen – es schmeckt nach Kunst. Mit der Abenddämmerung wird der Trubel lauter: Clowns, Jongleure, Feuertänzer überfluten das Faulloch und verwandeln es in einen regelrechten Jahrmarkt. Ab 19:00 Uhr sammeln sich Menschen, um das Kurztheaterspektakel der Freien Bühne Jena anzuschauen.
Künstler aus ganz Deutschland haben sich zusammen getan, um das Theater weg von der Bühne und in die „asphaltierten Straßen und Gassen“ Jenas zu bringen. Jeden Abend wird ein abwechselndes Programm angeboten. Wer Lust und Zeit hat, kann sich immer wieder auf eine neue Reise vom Faulloch bis zum alten Straßenbahndepot machen.
Dass das Spektakel gut besucht wird, deuten die ausverkauften Karten in der „Bücherstube“ am Johannisplatz bereits an – doch die Abendkasse gewährt dem Kunstliebhaber doch noch den Eintritt. Trotz Regen fängt die Show pünktlich an; gleich am Anfang werden die Besucher in drei Gruppen eingeteilt und jeweils von drei Akteuren durch Jena begleitet.
Die erste Station liegt nur wenige Minuten vom Start. Nun wird es deutlich, dass dieses Spektakel nichts für bequeme Couchsitzer ist. Die Zuschauer werden in Rollen (wie Rotkäppchen, Prinz mit einem Kristallschuh oder Prinzessin mit einem goldenen Ball) eingeteilt. Auch anderen Zuschauern wird es nicht langweilig; sie dürfen den Zauberwald mithilfe von ausgestreckten Armen und Beinen spielen, sobald der böse Wolf auftaucht. Nicht nur die Zuschauer, die ganze Stadt wird auf einmal in ein Märchen verwandelt – der Parkplatz am Uni-Hauptgebäude wird zu einem See, die Straßenlampen zu Feenlichtern und die Autos zu Sternschnuppen. Auf den Weg durch die verzauberten Gassen kriechen Clowns hinter Dixi-Toiletten oder Büschen am Wegesrand hervor; auch zufällig getroffene Menschen schließen sich der Gruppe an.
Ein wirklich spektakulärer Auftritt erwartet uns auf dem Marktplatz: Ein Prophet, barfüßig und gekleidet in nichts weiter als eine weiße Unterhose und einen Patientenkittel, kriecht aus einem Papier-Podex heraus und berichtet vom Ende der Welt. Die Zuschauer werden zur „freien Liebe“ gleich zu Hanfrieds Füßen aufgefordert – doch als das nicht klappt, verschwindet der Prophet in dem Gesäß und bietet ein Wundermittel in zwei Plastikgläschen für nur einen Euro an. Die Kaffee-Zucker Mischung muss kräftig gekaut werden, „bis der Speichel kommt“, damit sie dann mit einen starken Schluck „Wässerchen“ und einer Scheibe Zitrone ihre Wirkung entfalten kann.
Nach eineinhalb Stunden Entertainment kommt die Gruppe etwas nass, doch gut amüsiert am alten Straßenbahndepot an. Die Zuschauer werden nun mithilfe von vegetarischem Gulasch und Getränken aufgewärmt, bevor die nächsten drei Theaterstücke auf der Bühne serviert werden. Ruhsar Gümüsdal aus Nürtingen meistert das Erzählen und reißt die Zuschauer mit der abwechselnder komisch-tragischen Geschichte der Braut, die sich traut mit. Die Clichees unterhalten mit zauberhaften Tricks und Geschichten aus ihren eigenen Leben. Zum Schluss der dreigängigen Theaterführung gibt es das Rhabarberkomplott. Diesmal wird mit dem vom Publikum eingeworfenen Begriff „Kaffeemaschine“ improvisiert und eine Geschichte im Tierladen erzählt.
Es ist begrüßungswert, dass kleine Künstlervereine in Jena so gut unterstützt werden. So gelingt es nicht nur, für kurze Zeit dem Alltag und dem baldigen Semesteranfang zu entfliehen und sich über das Talent unserer Mitmenschen freuen, sondern auch über die Menschheit am, nein: im A… der Welt zu lachen.


Beitrag veröffentlicht

in

,

von

Kommentare

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert