Kolumne: Von der Weide auf den Tisch

(Foto: Dave Wild)
(Foto: Dave Wild)

… und was dabei sprachlich so alles passiert. Einen Blick auf den englischen Speiseteller durch Thomas Honegger, Professor für Anglistische Mediävistik an der FSU Jena

Die englische Küche genießt hierzulande einen eher zweifelhaften Ruf. Es mag deshalb auch nicht verwundern, dass kein wirkliches englisches Gegenstück zum deutschen „Guten Appetit“ oder zum französischen „Bon appetit“ existiert. Man begnügt sich oftmals mit einem resignierten „never mind“.
Doch noch im 19. Jahrhundert war das British beef europaweit berühmt und begehrt – und heute ist es zumindest als Rindsbraten (roast) beständiges Kernstück der traditionellen ­englischen Küche. Diese zeichnet sich – trotz aller Bemühungen einer neuen, weltoffenen Generation von Köchen – eher durch ihre Boden­ständigkeit als durch ihre Experimentierfreudigkeit aus. So kann es vorkommen, dass der Englandbesucher auf ­seinem Teller nebst den obligaten Brat- oder Salzkartoffeln auch noch chips als Beilage findet. Das erstere wird volkstümlich als ­„Gemüse“ betrachtet und sich als genügend von der verarbeiteten chips-Form unterscheidend angesehen, sodass beides auf einem Teller Platz findet.
Die englische Küche nahm und nimmt zwar Anregungen aus den unterschiedlichsten Ländern auf, aber wie die englische Sprache assimiliert sie diese geschickt, sodass man dem Endprodukt seinen außerbritischen Ursprung oftmals nicht mehr ansieht. So geschehen auch mit vielen Bezeichnungen der Speisen, die aus dem Französischen entlehnt wurden. Wie bereits Sir Walter Scott in seinem historischen Roman Ivanhoe (1819) ausführt, verdankt das berühmte britische beef (dt. Rindfleisch) seine Bezeichnung dem französischen boeuf. Das gleiche gilt für pork (< frz. porc, dt. Schweinefleisch), veal (< frz. veau, dt. Kalbfleisch) und venison (< frz. venison, dt. Wildfleisch).
Nun kannten zwar auch die Angelsachsen gute altenglische ­Namen für diese Speisen. Wie heute noch im Deutschen waren die­se jedoch identisch mit den Tiernamen (Schweinefleisch wird noch heute meist einfach als „Schwein“ oder „vom Schwein“ bezeichnet). Eine Trennung in Bezeichnungen für die lebendigen Tiere und solche für Fleischgerichte von diesen Tieren gab es im Englischen erst nach der normannischen Eroberung 1066 und der damit verbundenen Neugliederung der Gesellschaft. Die oberen Zehntausend, auf deren Teller das Fleisch landete, sprachen nun (normannisches) Französisch, während die ­Hirten und Bauern, die sich um die lebendigen Tiere kümmerten, weiter­hin Englisch redeten. Das Schwein war also ein pig bzw. sow, solange es sich in der Suhle wälzte. Sobald es aber auf dem Speiseplan der Oberschicht erschien, mutierte es zum französischstämmigen pork. Und das ist es geblieben, auch wenn es heute mit Kartoffeln und chips serviert wird.


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