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Wahlkämpfer Steinbrück: Ruhm als Redner in die Waagschale werfen (Foto: flickr / NEXTBerlin)
Wahlkämpfer Steinbrück: Ruhm als Redner in die Waagschale werfen (Foto: flickr / NEXTBerlin)

Die Bundestagswahl im September wirft ihre Schatten voraus – bald werden die Straßen wieder von Plakaten und Wahlkämpfern bevölkert. Passend dazu werfen wir einen Blick auf einen Autor der römischen Antike und dessen „zeitlose“ Wahlkampftipps.

von Frank

Drei Dinge lassen einem Kandidaten die Wählerstimmen zukommen: „erwiesene Wohltat, geweckte Hoffnung und spontane Sympathie“ – welcher Wahlkämpfer der Republik würde diesen Dreiklang nicht für sich verbuchen wollen, eventuell ergänzt um eine eindrucksvolle Social Media-Präsenz?
Aber tatsächlich stammen diese Ratschläge aus einer Zeit, in der sich noch keine Meinungsforscher oder andere Wahl-Wahrsager im Abendprogramm tummelten. Wir schreiben das Jahr 64 v. Chr., an der Spitze des römischen Reiches stehen zwei jährlich neu gewählte Konsuln. Sieben Bewerber kandidieren für das Amt, darunter Marcus Tullius Cicero. Sein Bruder Quintus unterstützt ihn mit Ratschlägen, die heute unter dem Titel „Abriss zum Wahlkampf um das Konsulat“ (commentarium petitionis consulatus) bekannt sind. Für eine (legale) Beeinflussung des Wahlausgangs war es schon damals unerlässlich, die Unterstützung einflussreicher Bürger und eine möglichst weite Bekanntheit der eigenen Person sicherzustellen. In einer Zeit ohne Massenmedien waren dabei persönliche Begegnungen sowie die tatsächliche „Sichtbarkeit“ des Kandidaten und seiner Anhängerschar von immenser Bedeutung. Dass Cicero zudem unterstreicht, der Wahlkämpfer solle seinen Ruhm als Redner in die Waagschale werfen, könnte einen Peer Steinbrück zuversichtlich stimmen – fraglich nur, ob er auf dem Forum Romanum eher als Mann des Klartextes oder der unglücklichen Honorare bekannt gewesen wäre.
Aktualität und Übertragbarkeit von Ciceros Kampagnentipps von vor über 2000 Jahren sind natürlich begrenzt. Dennoch lohnt sich die Lektüre gerade in Wahlkampfzeiten, nimmt der antike Kandidaten-Coach doch vieles vorweg, was heute Teil strategischer Kampagnen ist. So mahnt er etwa zur Mobilisierung unentschlossener Wähler: „Wenn du diejenigen, die nicht gegen dich sind, dazu bringst, leidenschaftlich für dich zu sein, dann werden diese den meisten Nutzen bringen.“
Wichtig sei es im Wahlkampf zum einen, sich die Unterstützung einflussreicher Freunde mit ehrenhafter Stellung und „großem Namen“ zu sichern, zum anderen das Wohlwollen des breiten (Wahl-)Volkes zu gewinnen. Ersteres erreiche man vor allem durch Wohltaten, alte Verpflichtungen und Bekanntschaften sowie Zugänglichkeit und natürlichen Charme. Man kann es als eine Art wohlverstandenen Opportunismus begreifen, den Cicero sogar so weit gehen lässt, die „Anpassung deiner Aussagen an die Gründe, weshalb einer dich unterstützt“ zu empfehlen. Die Sympathie des Volkes zu erlangen erfordere dagegen, neben Verstellung, Ausdauer, Großzügigkeit und Renommee, vor allem eine gute Show: „Sei fest entschlossen, dass alles, was dir von Natur aus fehlt, so gut simuliert wird, dass es als ein natürlicher Akt erscheint“, ermahnt Quintus seinen Bruder. Besonders bemerkenswert sind auch seine Ausführungen zu den Versprechen vor der Wahl: Solange man als Kandidat etwas verspreche, sei der Zorn bei Nichterfüllung ungewiss und mindestens zeitverzögert. Die Zurückweisung einer Bitte führe jedoch unmittelbar und sicher zu Missbilligung und Gegnerschaft – „wenn man nur das unternehme, was man sicher durchführen könne, bliebe einem das Haus leer“, gibt Cicero zu bedenken.
Selbst das, was man heute negative campaigning nennen würde, legt er seinem Bruder nahe: Er solle zusehen, dass man „Skandalgeschichten über die Verbrechen, sexuellen Ausschreitungen und Bestechungen deiner Konkurrenten erzählt“. Es ist jedoch fraglich, ob solche Schmutzkampagnen einem Angreifer heute nicht mehr schaden als dem Angegriffenen – und welche Geschichten über Verbrechen oder sexuelle Ausschreitungen von „Mutti Merkel“ Cicero ausfindig machen könnte.
Überhaupt: Könnten die antiken Wahlkampftipps auch für die Kanzlerin von Interesse sein? Cicero schrieb sie schließlich für einen Neubewerber, der sein Amt zum ersten Mal anstrebt. Zumindest in einem Punkt könnte die CDU-Strategie aber von Ciceros commentarium inspiriert sein: Von Sachthemen findet sich darin nämlich – vor lauter Personenwahlkampf – keine Spur.

Der „Abriss zum Wahlkampf“ ist in aktueller Ausgabe erschienen:

Q. Cicero: Tipps für einen erfolgreichen Wahlkampf (Lateinisch/Deutsch)
Reclam-Verlag 2013
93 Seiten
7,00 €

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