Jena mag Kinder – doch mag es auch die Frauen, die sie bekommen?

So augenscheinlich sich das weibliche Geschlecht auch emanzipiert haben mag, es gibt im Leben einer Frau einen Punkt, da scheint Tradition vor Gleichberechtigung zu gehen – der Moment, in dem die Frau zur Mutter wird. Spätestens jetzt zeigt der Sexismus in Deutschland sein wahres Gesicht, das kann auch die fami­lienfreundliche Werbekampagne der Stadt Jena nicht beiseite wischen.

von Katja Barthold Der Mutter, die auch noch Frau sein möchte, liegen auch im idyllischen Jena nicht nur Steine sondern Felsen im Weg. Abseits des Campus zeigt sich trotz geschlechtersensiblen Sprachgebrauchs, wer auf dem Spielplatz sitzt – und wer im Büro. Auch oder gerade in Akademikerkreisen muss die Frau in der Phase der Familiengründung beruflich zurückstecken.
„Die Stellung von Müttern in der Gesellschaft wird nicht genug wertgeschätzt, gleichzeitig auch die Bedürfnisse von Kindern nicht genügend berücksichtigt. Wenn Frauen berufstätig sind, verspüren sie ganz schnell wieder den Zwang, ihr Kind – beispielsweise nach oder während einer Krankheit – so ­schnell wie möglich wieder abzugeben“, erzählt eine Mutter, die in einem Jenaer Kindergarten tätig ist. Mit dieser Meinung steht sie nicht alleine da, man kann sie in allen Jenaer Arztpraxen und allen allen Spielplätzen. Während uns lächelnde Kinder auf Plakaten ein familienfreundliches Jena versprechen, brennt der Kampf um KiTa-Plätze, herrscht Behauptungszwang vorm Arbeitgeber oder der Arbeitgeberin.
Auch der Arbeitgeber Jena ist Teil ei­ner festgefahrenen Rollenverteilung. Anonym verrät eine berufstätige Mutter aus Jena: „Obwohl ich in der öffentlichen Verwaltung tätig bin, wurden meine männlichen Kollegen im Gegensatz zu den weiblichen Angestellten bereits mehr­mals befördert – obwohl bei Fähigkeiten und Arbeitszeiten keine Unterschiede bestehen. Frauen sind durch die Familie eben nicht immer präsent, Aufstiegschancen werden ihnen dadurch verwehrt.“ Dass dies nicht nur die Aussagen zweier „verbitterter Emanzen“ sind, drückt sich auch in den Zahlen bundesweiter Statistiken aus, wo schon allein die Begrifflichkeiten Ausdruck von Sexismus sind. Zwar heißt der Mutterschaftsurlaub jetzt Elternzeit, doch wie so häufig hapert es an der praktischen Umsetzung. Laut Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend schätzen 78 Prozent der befragten Männer die Elternzeit als wichtiges Angebot. Jedoch nehmen lediglich 5 Prozent sie teilweise und nur 0,2 Prozent sie ganz in Anspruch. Als Hauptgrund wird der entstehende Einkommensverlust genannt, blieben Väter tatsächlich zu Hause.
Zum Vorschein kommt hier, was eigentlich jeder weiß: Die Höhe des Gehalts orientiert sich in Deutschland nicht nur an der beruflichen Leistung, sondern eben auch am Geschlecht. Obwohl gesetzlich verboten, be­trifft dieses Problem Frauen aller Berufs- und Bildungs­schichten. Wird die Frau zur Mutter, gesellt sich zudem noch das Problem schwer erhältlicher und knapper Betreuungsmöglichkeiten hinzu. Besonders Frauen in gehobenen Position merken schnell, wie unflexible KiTa-Öffnungs­zeiten ihrem Berufsleben und ihren Karrierechancen enge Grenzen setzen.
Wer die großen Verlierer dieser Realitäten sind, liegt auf der Hand: Alleinerziehende, zu über 80 Prozent übrigens weiblichen Geschlechts, sehen sich einer Mauer von Unmöglichkeiten gegenüber, geht es nicht nur um die Nachkommen, sondern auch um die eigene Entfaltung und Entwicklung. Viele Frauen und Alleinerziehende sind daher gezwungen, Teilzeitarbeit oder gar Arbeitslosigkeit in Kauf zu nehmen – und das alles trotz des Grundgesetzartikels 3, der besagt, niemand dürfe aufgrund seines Geschlechts benachteiligt oder bevorzugt werden. Sollen Mütter der immer noch kli­scheegeprägten Sozialisation entfliehen können, bedarf es also wohl mehr als eines Gesetzes oder von Plakatwänden he­rablächelnder Kinder.


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