Glosse: Die Piratenpartei – Eine echte politische Alternative?

PRO

Einen Warnschuss vor den Bug versetzte den etablierten Parteien die kleine Piratenpartei mit Heimathafen Schweden. Die kleinen und wendigen Galeeren der Schweden sind zwar noch nicht zahlreich, kreuzen aber schon in den Hoheitsgewässern von Kanada bis Neuseeland und seit 2006 auch auf deutschem Territorium. Zu ihren wichtigsten Missionen zählen, das nicht mehr zeitgemäße Urheberrecht abzuändern – und nicht abzuschaffen, wie es die Schlachtschiffe der etablierten Medien und ihre politischen Vertreter in aller Öffentlichkeit abfeuern.von Seba

Zwingend notwendig ist dies umso mehr, wenn unzählige kleine Privatsegler irgendwann nicht mehr auf rechtliche Wasserminen im Datenmeer des Internets auflaufen sollen, sollten sie z.B. ihre Mash­ups bei Youtube veröffentlichen, nur um eigene Kreativität auszuleben und zu einer vielfältigeren Kultur beizutragen. Das Internet ist heute ein unmittelbarer Bestandteil des alltäglichen Lebens. Junge Menschen sehen es nicht mehr nur als ein Medium oder einen Fremdkörper, vielmehr sind sie selbst zu einem Teil der Internetgesellschaft geworden. Daher setzen sich die Piraten auch für Persönlichkeitsrechte ein, die durch zunehmende Online-Überwachung beschnitten werden. Nicht der Bürger sollte aber gläsern werden, sondern der Staat. In der Tagespolitik nimmt sich keine politische Partei dieses Themas objektiv und sachlich an, in der Wirtschaftskrise sind Bürgerrechte von untergeordneter Bedeutung. Der Gesetzgeber geht nur auf die Interessen einer kriselnden Wirtschaft und jener Musikverlage der Medienbranche ein, die sich mangels innovativer Geschäftsmodelle nicht auf die Herausforderungen des World Wide Web einlassen und seit Jahren regelrechte Kontinentalsperren um ihre Häfen errichten, dabei sich bockig und stur auf eine überholte Gesetzeslage berufend.

Zur letzten Europawahl enterten die Kaperfahrer erfolgreich einen Teil des Europäischen Parlaments – ein kleiner, aber wichtiger Schritt. Spätestens jetzt dämmerte es der Admiralität der Etablierten, dass sie sich ebenfalls mit den Themen der Piratenpartei auseinandersetzen sollten. Der nun gehisste Jolly Roger wird allerdings noch nicht ernst genug genommen, was sich in hochmütigen Äußerungen vieler Pressesprecher niederschlägt. Sinngemäß heißt es dann: „Eine Partei mit nur einem kleinen, spärlichen und unausgegorenen Parteiprogramm kommt niemals in den Bundestag!“ Hochmut kommt bekanntermaßen vor dem Fall. Die Internetgemeinschaft sei ein abgeschotteter Hafen, in dem sich arrogante, gerontokratische Admiralitäten daher anmaßen wollen, alles über jeden wissen zu wollen und über dessen Kreativität verfügen zu können. Wenn dem so ist: Volle Fahrt auf Kaperkurs voraus! Und: Mast- und Schottbruch!

CONTRA

von LuGr

Als einige Tage nach der Europawahl das amtliche Wahlergebnis feststand, staunten viele nicht schlecht. Nicht genug, dass die SPD mit mageren 20,8 Prozent eine der größten Pleiten der Parteigeschichte hinnehmen musste. Eine nach ihrer Gründung im Jahre 2006 erstmals angetretene Partei sorgte gleichzeitig für eine – wenn auch kleine – Überraschung: die Piratenpartei.

Die (Noch-)Anarchopartei setzt sich für die Abschaffung des Kopierschutzes und die Einschränkung von Software-Patentrechten ein, beides befördere eine größere künstlerische Vielfalt. Auch die Wahrung der Privatsphäre, die Kontrolle staatlicher Überwachungsinstitutionen und das Recht auf Anonymität im Netz hat man sich auf die Fahnen geschrieben. Mit bundesweit 0,9 und in Jena gar mit 1,8 Prozent der Stimmen hat die Interessensvertretung der Nerds, Internetuser, Downloader und anderer Gruppenanglizismen seitdem einigen Aufwind. Es darf jedoch bezweifelt werden, dass diese leichte Brise den Cyber-Kommunisten reicht, um damit am 27. September in den Bundestag zu schippern.

Nichtsdestotrotz hat die Piratenpartei den Bundestag jetzt schon erfolgreich infiltriert. Das unter dem Verdacht der Kinderpornographie stehende, ehemalige SPD-Mitglied, der derzeitige Bundestagsabgeordnete Jörg Tauss, enterte die Piratenpartei bereits vor einigen Wochen. Es sei ein schwarzer Tag für die Demokratie gewesen, als ein Gesetz zur Sperrung von Kinderpornoseiten, vorangetrieben von der Staatsnanny Zensursula von der Leyen, Mitte Juni verabschiedet wurde, wird Tauss zitiert. Bis aber endlich jener vorbildliche Status von China erreicht ist, wo gefiltert und gesperrt wird, was das Zeug hält, dürfte es angesichts von Schäubles Horch-und-Guck-Reload jedoch noch etwas dauern – trotz der hartnäckig geäußerten Bedenken zahlreicher Interessenverbände.

Doch abseits all ihrer Forderungen nach mehr Freiheit für den virtuellen Raum bleiben bei der Piratenpartei viele Belange des realen Lebens auf der Strecke. Es stellt sich die Frage, ob sie in ihrem Programm schlicht vergaß, auf Maßnahmen zur Bewältigung der Finanzkrise und der drohenden Massenarbeitslosigkeit einzugehen – oder ob es sie einfach nicht interessiert. Denn das Schnüren von Konjunkturpaketen sollte eigentlich Vorrang haben vor wirrem Kabelsalat. Und so bleibt die Seriosität der Piratenpartei mitsamt ihren zweifelhaften Mitgliedern und noch zweifelhafteren Zielen im Vergleich zu den großen Volksparteien auf der Strecke. Vielleicht klappt es ja das nächste Mal mit Captain Jack Sparrow als Spitzenkandidaten.


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Kommentare

2 Antworten zu „Glosse: Die Piratenpartei – Eine echte politische Alternative?“

  1. Avatar von Bastian

    „… Es stellt sich die Frage, ob sie in ihrem Programm schlicht vergaß, auf Maßnahmen zur Bewältigung der Finanzkrise und der drohenden Massenarbeitslosigkeit einzugehen – oder ob es sie einfach nicht interessiert. …“

    Die Frage stellt sich an sich seit dem Bundesparteitag nicht mehr, denn hier wurde recht klar und bewusst auf diese Themen verzichtet. Würden die Piraten Themen mit in ihr Programm aufnehmen, bei denen es ihnen derzeit noch an Kompetenz fehlt, würden sie genau das machen was sie anderen Parteien derzeit vorwerfen: Wahlkampfgetöse ohne echten politischen Willen dahinter.

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