Feuer, Tanz und Firlefanz

Der klassische Goethe-Text mit Rock- und Popsongs: „Faust“ gastiert als Rockoper in Weimar.

von Frank

Die alte Viehauktionshalle in Weimar liegt fernab vom altehrwürdigen Nationaltheater. Die Lokalität, in der an diesem Wochenende FAUST – Die Rockoper tobt, hat dabei fast so viel Charme wie das DNT und bietet das richtige Ambiente für eine solche, etwas andere Version des Goethe-Klassikers. Auch wenn die Altersstruktur des Publikums mehrheitlich der eines „gewöhnlichen“ Theaterabends entspricht, kann man das von dem Treiben auf der Bühne wahrlich nicht behaupten: Mit Live-Band, Tänzern und singenden Schauspielern bietet FAUST – Die Rockoper ein 140-minütiges Bombastikum (die halbstündige Pause nicht mitgerechnet!), ist dabei allerdings weniger eine Oper denn ein (rockiges) Musical.

Rock me, Johann Wolfgang

Entsprechend verwundert es nicht, dass der Mephisto in schwarzweißer KISS-Maskerade und mit Metal-Mähne daherkommt. Er präsentiert sich gleich zu Beginn als Zeremonienmeister eines optischen Spektakels mit leicht bekleideten junge Damen in Netzstrümpfen und Korsage. Überhaupt bietet der Abend viel Tanz und allerlei Firlefanz, was für literarische Nostalgiker etwas gewöhnungsbedürftig sein dürfte. Aber zumindest sprachlich wird ausschließlich auf Texte von Goethes Faust-Fassung zurückgegriffen – wenn auch ergänzt um den ein oder anderen nonverbalen Altherrenwitz.

Das eigentlich Besondere an diesem Faust-Abend ist natürlich die musikalische Dimension, die in insgesamt 27 Rock- und Pop-Songs daherkommt. Die Kombination aus Gitarren-Rock im Stil der 70er- und 80er-Jahre und deutschen Texten auf hohem Sprachniveau erinnert (auch optisch) teilweise an Falco-Songs im Stile von Rock me Amadeus. Bei einigen Szenen funktioniert diese „Verrockung“ wunderbar, bei anderen wirkt sie eher fehl am Platz. Denn die Musik verpasst dem Stoff an mancher Stelle eine ironische Brechung, die er nicht verdient: brachiale Kirmes-Stimmung beim Osterspaziergang, Hexen mit Luftgitarre oder ein Teufel mit Mobiltelefon, all das zählt zu dem erwähnten Firlefanz, den FAUST – Die Rockoper eigentlich nicht nötig hätte. Auch der Musical-Mephisto, der bisweilen in seiner durchtriebenen Possenhaftigkeit an Heath Ledgers großartigen „Joker“ erinnert, vertreibt diesen positiven Eindruck so manches mal durch überflüssige Witzchen und spätpubertäre Sex-Anspielungen.

Gretchen reißt es raus

Wo das Ensemble dann aber nicht versucht, mit Comedy zu glänzen, sondern das tut, was es wirklich kann – nämlich Singen und Schauspielern – unterhält der Abend großartig. Gerade die Duett-Szenen von Faust und Gretchen bleiben als absolute Highlights in Erinnerung; vermutlich funktioniert derartiges Musik-Theater einfach am besten im Wechselgesang eines männlichen und eines weiblichen Parts – noch dazu, wenn zwei derart beeindruckende Stimmen aufeinandertreffen.

Leider muss man an diesem Abend – schon aus Zeitgründen – auf einige charakteristische Szenen des Goethe-Klassikers verzichten; so fehlt neben „Auerbachs Keller“ u.a. das Duell zwischen Faust und Gretchens Bruder Valentin und die legendäre Szene um den Pudel (und seinen Kern). Die Walpurgisnacht allerdings präsentiert sich als lasziver Augenschmaus in Lack und Leder – eine Performance, an der sicher auch der Ladies’ Man Goethe seine Freude gehabt hätte.

Wer neugierig geworden ist: FAUST – Die Rockoper Teil II, heute (15.9.) ab 20 Uhr in der Viehauktionshalle Weimar. Teil I noch einmal Sonntag (16.6.) ab 11 Uhr.


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