Wo bleibt der deutsche Mann?

Liebe kennt keine Grenzen. Will man jedoch als Ausländer in Deutschland heiraten, liegen allerlei Steine von Behörden und Ämtern im Weg. Ein persönlicher Bericht.

von Szaffi

Der Tag der Hochzeit, oder unter ihrem bürgerlichen Namen „die Eheschließung“, ist der schönste Tag im Leben zweier Menschen, die sich entschieden haben vor Gott und/oder einer beliebigen Standesbeamtin den Bund fürs Leben zu schließen. Zumindest denkt man das. Wenn man die rechtliche Seite betrachtet, sieht das anders aus. „Eine Eheschließung stellt in erster Linie einen rechtlich bindenden Vertrag mit Auswirkungen in vielerlei Hinsicht dar“, so das Auswärtige Amt. Es klingt beinahe wie eine Drohung – aber wer droht wem? Und was hat überhaupt das Auswärtige Amt mit Eheschließungen zu tun? Der Satz ist in Bezug auf internationale Eheschließungen zu lesen, bei denen ein Partner kein deutscher Staatsbürger ist. Wenn solch ein Multi-Kulti-Pärchen gerade angefangen hat die Hochzeit vorzubereiten, kommen den Heiratswilligen wahrscheinlich keine Bedenken. Anders als mir jetzt – nach über einem halben Jahr Kampf um den schönsten Tag meines Lebens.
Ungarn, dessen Staatsbürgerin ich bin, gehört seit 2004 der Europäischen Union und seit 2007 dem Schengen-Raum an. Die ganze bürokratische Prozedur, die man vor der Hochzeit erledigen muss, kann also so aufwendig nicht sein – dachte ich. Im Normalfall braucht man in Deutschland zur standesamtlichen Eheschließung drei Dokumente: die beglaubigte Abschrift aus dem Geburtenregister vom Standesamt des Geburtsortes, eine Kopie des Personalausweises oder Reisepasses und als Letztes eine erweiterte Meldebescheinigung vom Einwohnermeldeamt, die im Unterschied zur normalen Meldebescheinigung zusätzliche Informationen wie Familienstand, Staatsangehörigkeit und konfessionelle Zugehörigkeit enthält. Außerdem kostet der schönste Tag des Lebens viel Geld, auch ohne Catering-Service, Traumkleid oder Rosensträuße – vor allem, wenn man keine deutsche Staatsangehörigkeit besitzt.

Kafkaeske Behördenodyssee
Unser anvisiertes Ziel war es, im Juni dieses Jahres zu heiraten. Darum wollte ich im vergangenen Oktober einen Termin beim Standesamt für die Anmeldung zur Eheschließung vereinbaren. Ich ging davon aus, dass ich so genug Zeit haben werde, die nötigen Unterlagen zu besorgen. Man kann sich sowieso erst ein halbes Jahr vor der geplanten Eheschließung anmelden. Vorerst. Schon bei der Anmeldung wird nach dem Blut-und-Boden-Prinzip unterschieden: „Eine Anmeldung ohne Termin ist nur möglich, wenn beide Partner deutsche Staatsangehörige und in Deutschland geboren sind“, erfährt man auf der Internetseite des Auswärtigen Amtes. Weiterhin gilt: „Ist ein Eheschließender oder Lebenspartner oder sind beide ausländische Staatsangehörige oder nicht in Deutschland geboren, ist generell ein Termin zur Beratung zu vereinbaren, bei dem ihnen alle Unterlagen mitgeteilt werden, welche zur Anmeldung der Eheschließung/ Begründung der Lebenspartnerschaft erforderlich sind.“ Das heißt auf gut Deutsch: Als Nichtdeutscher muss man sich erst einmal einen Termin für die Beratung geben lassen, den man irgendwann – in meinem Fall dank der Dynamik des deutschen Bürokratiewesens schon in drei Wochen – bekommt. Deutsche können auch ohne vorab einen Termin zu vereinbaren, hingehen und sich mit ihren Unterlagen problemlos zur Eheschließung anmelden.
Wenn man kein Deutscher ist, muss man sich die Anmeldung zur Eheschließung erst einmal verdienen. Die fast glücklichen Paare müssen dafür so beharrlich und unnachgiebig sein wie Asterix auf der Jagd nach dem „Passierschein A38“. Mit der Bürokratie von gleich zwei Ländern – Deutschlands einerseits und des Herkunftslandes andererseits – müssen sie es aufnehmen, um die angeforderten Unterlagen zu ergattern. Als Lohn können sie sich, wenn ein Eheschließender einen ausländischen Pass hat, für 70 Euro anmelden. Größeres Pech haben diejenigen, bei denen beide eine ausländische Staatsangehörigkeit besitzen, dann macht das 90 Euro. Haben die Verliebten beide einen deutschen Pass, kostet die Anmeldung nur 40 Euro.
Zum Beratungstermin im November erschien ich allein. Ein ziemlich verdächtiges Verhalten in den Augen der deutschen Behörde: Wo bleibt der deutsche Mann? Ich fühlte mich wie eine Bittstellerin, die eigentlich kein Recht auf die Eheschließung mit einem Deutschen hat. Europäische Union und Schengen: Das alles hat in den Wänden eines deutschen Beamtenstübchens keinen Bestand. Die Beratung selbst dauerte höchstens eine halbe Stunde. Ich bekam von der Standesbeamtin keine Hilfe, wo welche Unterlagen zu beschaffen seien. Am Ende des Gesprächs – das auf Deutsch geführt wurde – fragte sie mich dafür, ob ich bei der Trauung einen Dolmetscher brauche und ich wurde noch einmal darauf hingewiesen, dass alle Unterlagen in einer deutschen Ausfertigung vorzulegen sind, die ausschließlich von einem in Deutschland vereidigten Übersetzer zu stammen hatten. Nach dieser Beratung fühlte ich mich einfach nur überfordert und frustriert.
Als EU-Bürgerin brauchte ich zusätzlich noch ein Ehefähigkeitszeugnis, eine Bestätigung über dessen Wahrhaftigkeit vom Landesgericht sowie drei Gehaltsnachweise von uns beiden, damit der Betrag für diese Bestätigung festgelegt werden kann, und letztlich eine Geburtsurkunde mit Apostille – natürlich auch in deutscher Übersetzung.
Nach der Besprechung wusste ich (nur) drei Sachen nicht: Was ein Ehefähigkeitszeugnis ist, was eine Apostille sein soll und woher ich beides bekommen kann. Durch Recherchearbeit im Internet und mehrere E-Mail-Wechsel stellte sich heraus, dass ein Ehefähigkeitszeugnis kein ärztliches Attest ist, sondern lediglich beweist, dass ich wirklich ledig bin. Es wird vom ungarischen Konsulat für 80 Euro ausgestellt.
Die Apostille, die Bestätigung der Echtheit einer öffentlichen Urkunde durch eine bestimmte Behörde des ausstellenden Staates, wird sichtbar durch einen roten Wachsstempel. Es gab aber ein Problem: Nur Urkunden, die nach 2006 ausgestellt wurden, dürfen mit Apostille legalisiert werden. So musste ich mich zum Standesamt begeben, wo meine Geburtsurkunde ausgestellt wurde, um mir eine neue Urkunde geben zu lassen. Dann ins Außenministerium in Ungarn gehen, wo diese Urkunde legalisiert wurde, umgerechnet für ungefähr 30 Euro. Die neue Geburtsurkunde war jedoch dreisprachig: Ungarisch-Englisch-Französisch. Ich versuchte, mit der Sachbearbeiterin zu verhandeln, um die zusätzlichen Übersetzungskosten zu umgehen: Fehlanzeige. Die einzige akzeptierte Sprache im Standesamt ist Deutsch.
Bis zur zweiten Januarwoche hatten wir schließlich alle Unterlagen zusammen. Das Standesamt in Leipzig ist jedoch sehr gefragt. Wir konnten erst für Mitte Februar einen Termin vereinbaren. Die für uns zuständige Standesbeamtin kam uns allerdings so weit entgegen, dass sie uns vorschlug, die Unterlagen eine Woche vor dem Termin abzugeben, damit sie mit der Prüfung anfangen kann. Überraschenderweise bekamen wir aber eine neue Sachbearbeiterin – sie dachte, dass wir zu einem ersten Beratungstermin gekommen seien. Von den vorher schon abgegebenen Unterlagen wusste sie nichts. Es stellte sich heraus, dass die Mitarbeiter des Standesamtes im Rotationssystem arbeiten; sie war erst zwei Wochen zuvor in diese Abteilung gekommen.

Markt für Heiratstourismus
Die Geschichte nahm kafkaeske Züge an, als sie uns darüber informierte, dass mein Ehefähigkeitszeugnis vom Oberlandesgericht Dresden überprüft werden solle, was im Durchschnitt ein bis drei Monate dauere. Sie könne natürlich keinen Termin vergeben, ohne die Bestätigung des Oberlandesgerichts erhalten zu haben. Den Tränen nahe versuchte ich auf die Mitarbeiterin einzureden, eine Lösung zu finden. Wir würden schlimmstenfalls erst im Mai einen Termin festlegen können, was bedeutet, dass wir uns von einer Hochzeit im Juni verabschieden müssten. Nach einer längeren Diskussion konnten wir einen Termin inoffiziell zum 10. Juni reservieren. Ich war überglücklich und überrascht, dass es manchmal so einfach gehen kann.
Die Bestätigung aus Dresden, die noch einmal 100 Euro gekostet hatte, kam tatsächlich erst im Mai. Die Standesbeamtin merkte mir gegenüber bei dem letzten Termin beiläufig an: „Das Standesamt ist hochzeitstechnisch vollkommen ausgebucht, es gibt für den Juni gar keine Termine mehr.“ Als sie nach der Namensänderung fragte und erfuhr, dass mein zukünftiger Mann seinen deutschen Namen gegen meinen ungarischen tauschen will, nahm sie kein Blatt vor den Mund: „Wenn ich das gewusst hätte, hätte ich Ihnen keinen Termin im Voraus gegeben.“
Als Abschiedsgeschenk durfte ich noch 25 Euro für die beglaubigte Eheurkunde bezahlen. Am Standesamt werden vor der Hochzeit jedoch auch Privilegien verteilt: Wir dürfen eine halbe Stunde vor und eine Stunde nach der Eheschließung mit zwei Autos vor dem Rathaus umsonst parken.
Wer kein EU-Bürger ist, muss übrigens noch mehr Runden drehen: Karsten heiratete seine weißrussische Frau Irina* vor ein paar Jahren deswegen in Dänemark. Beide wohnten damals in Kiew, wegen der schleppenden Terminvergabe und Sachbearbeitung in Deutschland war für sie die unkomplizierteste Möglichkeit Dänemark. Das dortige Standesamt hat nicht die Absicht, so viele Hürden wie möglich zu stellen: Die Bearbeitungszeit der Unterlagen beträgt im Gegensatz zu Deutschland insgesamt zwei Wochen und der Ton der Standesbeamten ist deutlich freundlicher. Karsten und Irina bekamen nach einem Telefonat mit einem dänischen Standesamt binnen drei Wochen einen Termin für die Eheschließung. Die Sachbearbeiterin begann sofort mit der Prüfung ihrer ersten Unterlagen, die sie ihr abfotografiert per Email zugeschickt hatten – im Gegensatz zu Deutschland, wo das Standesamt nur Originale und beglaubigte Übersetzungen anrührt. Aber nur in dem Fall, dass sie vollzählig sind, versteht sich.
Karsten und Irina konnten aussuchen, ob sie die Trauung auf Dänisch, Englisch oder Deutsch wünschen. Der dänische Trauschein ist in Deutschland gültig, da ein gegenseitiges Annerkennungsgesetz zwischen Dänemark und Deutschland besteht. Außerdem ist der Trauschein in all den Sprachen ausgestellt, mit denen Dänemark im Abkommen steht. Man hat dieselben Unterlagen einzureichen wie in Deutschland, Nicht-EU-Bürger brauchen außer dem Schengen-Visum noch einen mindestens drei Monate alten Einreisestempel im Reisepass. „Der größte Vorteil ist, dass die Dänen nicht so misstrauisch sind, was Scheinehen angeht. Wenn du als Ausländer zum deutschem Standesamt kommst, unterliegst du sofort dem Grundverdacht: Alles Betrüger“, resümiert Karsten.
Kein Wunder, dass die Tourismusbranche auf beiden Seiten der Grenze das Potenzial des internationalen Hochzeitstourismus erkannt hat. Mittlerweile legen die meisten dänischen Standesämter einen Mindestaufenthalt von drei Tagen fest. Wer es wirklich bequem haben möchte, der kann einfach bei einer der vielen deutschen Agenturen ein Hochzeitspaket buchen. Die Agentur erledigt dann die Korrespondenz mit dem Standesamt in Dänemark, bereitet die Eheschließung vor und bietet Hochzeit und Urlaub zusammen an.
Das sind zwei Extreme im Umgang mit der Ehe zwischen Partnern mit verschiedenen Staatsangehörigkeiten – in zwei Staaten, die beide als Einwanderungsland gelten. Während aber die Einwanderungspolitik in Dänemark seit den 90er Jahren immer mehr verschärft wurde, trägt Deutschland das Etikett des Einwanderungslandes.

* Namen geändert


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