Der geschmähte Kontinent

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Im Sommer findet in Südafrika die erste Fußball-WM auf dem afrikanischen Kontinent statt. Eigentlich eine gute Gelegenheit für die Medien, diesen endlich etwas genauer zu beleuchten und Vorurteile abzubauen. Eigentlich. Denn in der Realität dominieren Berichte über fehlende Infrastruktur und Gewalt auf den Straßen die Zeitungsspalten.
von Chrime

Hand auf’s Herz: Was für Bilder schwirren durch den Kopf, wenn wir an Afrika denken? Da kommen uns wohl zuerst Wüsten und Hitze in den Sinn, oder ausgetrocknete Brunnen, die zu einem eklatanten und dauerhaften Mangel an Trinkwasser führen. Wir denken an einfache Lehmhäuser, Hunger, Kriminalität und Kindersoldaten; als Fußballfans zudem an marode, aber dennoch proppevolle Stadien, auf deren Tribünen fantasievoll geschmückte Fans mit lauten Tröten („Vuvuzelas“) sitzen. Das Schlimme ist: So dürfte es sehr vielen anderen Menschen weltweit gehen.

Woher aber sollten sie auch kommen, diese anderen Bilder, die es zweifellos geben muss? Abgesehen von eigenen Aufenthalten vor Ort sind wir auf die Berichterstattung der Massenmedien angewiesen – und die ist leider vom einseitigen Interesse an den „vier K’s“ geprägt. Diese stehen für die vermeintlich berichtenswerten Themenschwerpunkte „Kriege, Krisen, Katastrophen, Krankheiten“. Wie aber soll sich daran etwas ändern, wenn die großen öffentlich-rechtlichen Sender Auslandskorrespondenten zunehmend wegrationalisieren?

Nach Angaben von Lutz Mükke, Mitarbeiter am Institut für Journalistik der Uni Leipzig, ist ein Afrika-Korrespondent im Schnitt für 33 Staaten zuständig – von denen er ein Drittel nie betritt. Mükke befasst sich in seinem Buch „Journalisten der Finsternis“ ausführlich mit diesen medienökonomischen Zwängen und kritisiert besonders den zu westlichen Blick auf die Geschehnisse des Kontinents. Dieser führt dazu, „dass der Medienkonsument in Deutschland im Wesentlichen ein Afrika ohne Akteure präsentiert bekommt“, wie es René Martens im Medienmagazin journalist auf den Punkt bringt. So war am 1. Juli 2008, also fast zwei Jahre vor Beginn des WM-Turniers, in der Welt zu lesen: „Rassenunruhen, Kriminalität und Probleme mit der Stromversorgung: Die Vorfreude auf die WM 2010 in Südafrika ist durch zahlreiche Probleme getrübt.“

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Bevor mögliche Problemlösungen erörtert wurden, übergab man das Wort lieberan den Schweizer FIFA-Präsidenten Joseph Blatter, der eine andere Variante vorschlug: „Ein Jahr würde genügen, um das Turnier in einem anderen Land zu organisieren. Ich wäre ein sehr unvorsichtiger und fahrlässiger Chef einer solchen Institution, wenn nicht in irgendeiner Schublade ein Plan B liegen würde.“ Als Alternativausrichter brachte die FIFA dann die event-erprobten westlichen Nationen Deutschland und USA ins Gespräch. Neben den genannten Schwierigkeiten war der Mord am Österreicher Peter Burgstaller (beim Golfspielen durch einheimische Caddies) einer der Hauptdiskussionspunkte der damaligen Medienberichterstattung. Nur ein Jahr später, beim Confed-Cup (der „Generalprobe“ des WM-Turniers), sollte sich zeigen, dass keines der so häufig und eindringlich geschilderten Probleme einer reibungslosen Durchführung dieses großen Sportevents entgegensteht – zumal die südafrikanische Regierung zur Weltmeisterschaft 41.000 zusätzliche Polizisten und hochmoderne Sicherheitstechnik aufbieten wird.

Damit sich die einseitige Berichterstattung in Zukunft ändert, starten besonders die ARD, phoenix und arte im Vorfeld der Fußball-WM Reportagereihen. Dort kommen – von den Filmemachern unkommentiert – afrikanische Bürger selbst zu Wort, wie etwa in der arte-Reportage „Afrika: 50 Jahre Unabhängigkeit“. Die Redakteure wählten vorab einheimische Protagonisten aus, die als subjektive Reiseführer durch die Hauptstädte von Tschad, Benin oder Mauretanien führen und dabei so manche bisher unbekannte Facette dieser Länder aufzeigen.

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Doch auch wenn diese beispielhaften Formate auf Sendung gegangen sein werden, dürfte der Medienrezipient verwirrt zurückbleiben. Nur zögerlich lässt er sich – insofern es die Haushaltskasse überhaupt zulässt – auf einen Trip ans „Kap der guten Hoffnung“ ein. Es bleibt also wohl nur jene gute Hoffnung, dass die vielversprechenden Ansätze der Öffentlich-Rechtlichen weiterverfolgt werden, damit Afrika nach dem Ende der Fußballweltmeisterschaft nicht wieder zum „vergessenen Kontinent“ wird.

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