„Jeder Mensch hat eine dunkle Seite“

Der niederländische Zeichner Erik Kriek liefert mit In the Pines die Comic-Adaption amerikanischer Folk-Songs, sogenannter „Murder Ballads“. Uns verriet er, wieso ihn Detektivgeschichten langweilen und was ihn am menschlichen Bösen fasziniert.

unique: Wie kommt eigentlich ein niederländischer Zeichner dazu, ausgerechnet amerikanische Folk-Songs zu adaptieren?
Erik: Ich wohne zwar in den Niederlanden, aber bin natürlich ein Weltbürger (schmunzelt). Ich bin mit amerikanischer Pop-Kultur aufgewachsen und mag diese Art Musik sehr gerne, schon seit über zwei Jahrzehnten – mit meinem Bruder habe ich auch längere Zeit eine Folk-Band gehabt. Für die CD zu dem Buch, die eine befreundete Band eingespielt hat, habe ich selbst auch etwas eingesungen.

Es gibt ja zahllose dieser „Murder Ballads“ zu schaurigen Verbrechen. Wonach hast du deine Auswahl für das Buch getroffen?
Ich habe einerseits natürlich nach persönlicher Vorliebe ausgewählt. Aber ich wollte keine Eins-zu-Eins-Adaption machen; die Erzählungen der „Murder Ballads“ sollten also Startpunkt für meine eigene Geschichte sein. Eigentlich habe ich diese Lieder benutzt, um eigene Storys zu erzählen. Es fängt an mit einer Szene, die ich im Kopf habe. Und von dieser Szene baue ich dann eine Geschichte. Außerdem habe ich ein bisschen auf Vielfalt und Abwechslung geachtet, denn im Grunde sind ja viele der „Murder Ballads“ sehr ähnlich. Ich hätte auch noch 20 mehr machen können.

Woher kommt die Faszination für diese Mordgeschichten, die immer wieder Künstler – wie dich, aber auch Johnny Cash oder Nick Cave – diesen Stoff aufgreifen lässt?
Na ja, Geschichten über glückliche Menschen sind langweilig: Sie verlieben sich, leben noch lange und glücklich – Ende. Aber wenn man das kaputt macht, ein bisschen Drama reinbringt, dann wird es interessant. Und ein Mord ist natürlich ein sehr dramatisches Ereignis, das Folgen für jeden der Beteiligten hat. Aber er steht nicht unbedingt am Anfang oder am Ende der Geschichte. Das wichtigste für mich war, dass keine Detektivgeschichte erzählt wird, eine Überführung des Täters, so etwas finde ich nicht interessant. „Natürlich, es war der Vater! Oder dieser eine Typ, den wir am Anfang mal kurz gesehen haben.“ – solche Storys finde ich langweilig.

Du hast zuvor bereits Schauergeschichten von H. P. Lovecraft als Comic adaptiert. Woher dein Interesse für menschliche Ängste?
Das werde ich oft gefragt, aber ich habe keine wirkliche Antwort darauf. Ich denke es liegt daran, dass ich selbst ein sehr glückliches Leben habe: Ich bin sehr positiv eingestellt, es gab niemals Gewalt in meinem Leben… vielleicht fühle ich mich selbst besser, indem ich diese dunkle Seite untersuche. Mich hat das immer fasziniert.

Ist das menschliche Böse für dich denn etwas Absolutes oder wird es gesellschaftlich definiert?
Ich glaube, jeder Mensch hat eine dunkle Seite. Das macht es interessant. Aber auch die Mörder in den von mir adaptierten „Murder Ballads“ sind ja keine „Monster“, sondern eigentlich normale Leute. Eigentlich kann das jedem passieren.

Der Rabe auf dem Cover von In the Pines erinnert sofort an Edgar Allan Poes Gedicht „The Raven“. Könntest du dir vorstellen, auch Comics zu Poe zu zeichnen?
Der Rabe ist ein Botschafter des Todes, das passte also sehr gut. Poe adaptieren, vielleicht – ich bin jetzt ein bisschen fertig mit Adaptionen; jetzt möchte ich eher erst einmal eigene Geschichten machen. Comic-Zeichnen ist für mich immer eine Entdeckungsreise: Ich weiß niemals, wo ich damit hingehe. Auch In the Pines ist ganz anders geworden, als ich am Anfang gedacht habe.

Wir danken dir für das Gespräch!

Das Interview führte Frank.

(Foto: privat)
(Foto: privat)

Erik Kriek, geboren 1966 in Amsterdam, ist neben seiner Arbeit als Comic-Zeichner vor allem als Illustrator für niederländische Zeitschriften tätig. Sein In the Pines ist im avant-Verlag erschienen.


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