„Fahren musst du schon selber!“

cornerSeit Januar 2010 lädt das Kassa einmal im Monat zur „Hip-Hop Corner“, einem Treffpunkt für Rapper, DJs, Breakdancer und Graffitimaler. Das Motto dabei lautet: „Hip-Hop, Don‘t Stop!“ – Eine Reportage.

von rokko rehbein

Es ist überraschend still vorm Kassa. Die große schwere Eingangstür lässt sich nicht öffnen und erst bei konzentriertem Hinhören hört man leise Musik erklingen. Vorbei am Kassaturm, sieht man im Hinterhof alte, ausrangierte Zugwaggons stehen, an die eine Handvoll Leute ihre Bilder sprühen. Auf dem Boden liegen Dosen, Skizzen und ein, zwei leere Bierflaschen. Vereinzelt wird sich ausgetauscht und gelacht, aus einem Autoradio pumpt Electro. Die Hip-Hop Corner findet zwar nur einmal im Monat statt, aber trotzdem scheint heute nur der harte Kern gekommen zu sein. „Das ist eben manchmal so, wir hatten hier aber auch schon 30 Leute“, sagt Otte mit einem offenen Lachen. Er ist einer der Initiatoren der Hip-Hop Corner und hat selbst jahrelang Breakdance getanzt. Ende des letzten Jahres beschloss er zusammen mit Freunden, der Bewegungsküche e.V. und dem Kassa, die Corner ins Leben zu rufen. „Die Kids hängen die ganze Zeit im Netz, da wollten wir ‘ne Alternative bieten.“ Deshalb wird die Corner auch nicht im Internet beworben. Die Initiatoren hoffen vor allem auf Mundpropaganda. „Außerdem ging es uns darum, die Hip-Hop Kultur wieder zu beleben.“ Allerdings, und auch das ist Otte wichtig, geht es dabei vor allem um Eigeninitiative. „Die Corner soll eine Plattform bieten, wir stellen die Fläche und das Equipment. Das Ganze hier ist wie eine Autobahn, aber fahren musst du darauf schon selber.“ Otte, der beruflich einen Veranstaltungsservice betreibt, merkt man seine Leidenschaft für das Projekt an. Wenn er über die Corner spricht, dann tut er das engagiert, aber freundlich. Vor allem wünscht er sich, dass sich die Leute, die hierher kommen, austauschen und zusammenarbeiten, „damit vielleicht mal was entsteht, womit vorher niemand gerechnet hat. Aber das liegt an jedem selbst. Alles kann, nichts muss.“
Unter strahlend blauem Himmel füllen sich die Wände der Zugwaggons weiter mit Farbe. Alex umrandet  seine lilafarbenen Buchstaben mit einem satten Orange, dann betrachtet er andächtig sein Bild. „Normalerweise mal’ ich recht bunt, aber heut wollt ich kühle Farben.“ Der gebürtige Cottbusser lebt seit ein paar Jahren in Jena, aber die meisten Maler hat er „hier in der Corner kennengelernt.“ Dabei schätzt er besonders die Atmosphäre. „Die Leute, die hierher kommen, malen oft schon seit Jahren. Denen geht es nicht mehr darum, sich zu beweisen. Die kommen, um ‘ne coole Zeit zu haben. Man chillt mit denen, malt ‘n Bild und hört Mugge. Das macht die Hip-Hop Corner aus.“ Otte pflichtet ihm bei und fügt hinzu, dass es eben auch darum ginge, nicht nur neue Leute zu gewinnen, sondern auch den Etablierten einen Treffpunkt zu bieten. Trotzdem sollen sich natürlich gerade die Beginner hier wohlfühlen. „Ist doch klar“, schiebt Alex nach, „wenn jetzt ‘n Anfänger ankommt und um Hilfe bittet, dann nehm ich mir auch Zeit für den. Dieser Each-One-Teach-One-Gedanke herrscht hier auf jeden Fall noch vor.“
Während Alex nochmals sein Bild ausbessert, legt DJ Free-Kee zusammen mit einem Freund aus Heidelberg im Innenbereich des Kassas auf. Die Hip-Hop Corner stellt neben Plattentellern auch eine Fläche für Breakdancer, aber tanzen will heute niemand. Dafür bastelt Free-Kee an seinem Computer, justiert die Plattenteller und lässt dann flüssig einen Dub-stepsong in einen Notorious B.I.G.-Klassiker übergehen. Auch er ist von Anfang an dabei. Gehört von der Idee hatte er über Freunde und sich sofort entschlossen, mitzumachen: „Ich liebe Musik und das Auflegen und geb das auch gerne weiter.“ Während der Corner gebe es vor allem die Möglichkeit, mit Interessierten ins Gespräch zu kommen, so Free-Kee. „Das Schöne ist, dass man viele Dinge erklären kann, die nicht nur mit der Technik, zum Beispiel Scratching und so, zu tun haben. Es geht mir vor allem um die Idee, die hinter dem DJ-ing steht. Viele fragen mich immer gleich, wie viel ich als DJ verdiene. Das ist voll schade, denn ich mach die Sache ja grundsätzlich, um die Leute und mich glücklich zu machen.“ Deshalb freue er sich auch über jeden, der vorbeikommt, auch wenn man die Begeisterung mancher Kids erst mal bremsen muss. „Das letzte Mal kam einer an, der hatte erst gesprüht und dabei die Dose falsch herum gehalten. Die ganze Hand war blau. Und dann kam er rüber zu mir und wollte auflegen. Da hab ich gelacht und gesagt: ‚Nee, das geht nicht, mach erst mal die Hände sauber.‘“ Nichtsdestotrotz herrscht hier im Kassa einmal im Monat das Motto: Hip-Hop, Don‘t Stop!

Die nächste „Hip-Hop Corner“ findet am 29. 07. 2010 im Kassa statt.


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